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EEG Novelle 2021 – neue Dynamik für Erneuerbare Energien?

Komplexe Sonderregelungen für Photovoltaik-Anlagen, mangelnde Impulse für die Windbranche: Die neueste Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist für einen ambitionierten Klimaschutz eine echte Enttäuschung. Will Deutschland die Klimaziele bis 2030 und 2050 noch erreichen, muss dringend eine weitere Anpassung her – eine Analyse.

Von Felix Auspurg (WIWIN), Experte für erneuerbare Energien und Finanzprodukte

Die Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland ist schon rund 20 Jahre her. Das sind zwei Jahrzehnte, in denen Stück für Stück der Ausbau Erneuerbarer Energien vorangetrieben und etabliert werden sollte. Kernbestandteile des EEG sind die garantierte Einspeisevergütung und die vorrangige Abnahme von Strom aus erneuerbaren Quellen. Die erfreuliche Nachricht dazu vorneweg: Über die Jahre hinweg konnte inzwischen nicht nur der Anteil der Erneuerbaren Energien am deutschen Energiemix sukzessive erhöht werden; es entwickelte sich daraus auch ein ganzer neuer Industriezweig.

Mehrere Novellen passten das Gesetz in den vergangenen Jahren an die sich ändernden Marktbedingungen an. Was in der Theorie gut – und wichtig – ist, hat die Energiewende faktisch jedoch ausgebremst! Immer wieder wurden Fehler in der Ausgestaltung gemacht, dadurch teilweise falsche Anreize gesetzt und der Ausbau der Erneuerbaren Energien so unnötig verlangsamt. Zum 1. Januar 2021 ist die neueste Fassung des EEG in Kraft getreten – und bleibt damit leider weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Doch zunächst eine Analyse:

Gesetzgeber legt Fokus auf Photovoltaik

Die meisten Änderungen gibt es im Bereich der Photovoltaik. Künftig wird es eine eigene Ausschreibungsrunde für große PV-Dachanlagen geben. Dabei gilt: Während die Teilnahme an der Ausschreibung für große Anlagen ab 750 kWp installierter Leistung verpflichtend ist, besteht für mittelgroße Anlagen zwischen 300 und 750 kWp installierter Leistung ein Wahlrecht. Und: Wer an der Ausschreibung teilnimmt, darf den erzeugten Strom nicht selbst verbrauchen.

Zudem gibt es für mittelgroße Anlagen deutlich komplexere Sonderregelungen. So werden lediglich 50 Prozent des erzeugten Stroms weiter vergütet. Die übrige Hälfte dient dem Eigenverbrauch oder der direkten Vermarktung ohne Förderung. Angesichts der Tatsache, dass bei den meisten Anlagen weder 50 Prozent Eigenverbrauch, noch eine wirtschaftliche Direktvermarktung realistisch sind, verfehlen die Regelungen bereits hier ihr Ziel!

Neben der neuen Ausschreibungsrunde für PV-Dachanlagen ist ab 2022 auch eine zusätzliche Innovationsausschreibung über 50 MW vorgesehen. Dies ermöglicht eine Förderung neuer Technologien wie Floating-PV (schwimmende PV-Anlagen) oder Agri-PV (parallele Nutzung landwirtschaftlicher Flächen). Auch der Börsenpreis für Strom soll zukünftig eine wichtigere Rolle bei der Vergütung spielen, das heißt: Fällt der Börsenpreis mindestens vier Stunden lang am Stück negativ aus, bleibt die Vergütung für Neuanlagen in der verpflichteten Direktvermarktung aus. Ferner wurde die Grenze zur Befreiung von der EEG-Umlage beim Eigenverbrauch von 10 kWp auf 30 kWp und 30 MWh Stromerzeugung p.a. erhöht.

Kein neuer Impuls für die Windbranche

Im Vergleich zu den Neuerungen bei Photovoltaik sind die Änderungen bei der Windkraft deutlich überschaubarer. Um den Ausbau in den südlichen Bundesländern stärker voranzutreiben, sehen die Ausschreibungen ab sofort eine Südquote in Höhe von zunächst 15 Prozent vor. Oder vereinfacht gesprochen: Mindestens 15 Prozent des ausgeschriebenen Volumens sind für Projekte im Süden Deutschlands reserviert.

Darüber hinaus sollen in Zukunft vergleichsweise schwächere Windstandorte mehr gefördert werden. Zur Stärkung der lokalen Wertschöpfung findet sich im neuen EEG auch ein Abschnitt zur finanziellen Beteiligung der Kommunen in Höhe von 0,2 Cent pro eingespeister kWh – allerdings auf freiwilliger Basis.

Mieterstrom – neue Anreize für mehr Energiewende in den Städten

Auch in puncto Mieterstrom sieht die EEG Novelle so manche Änderung vor. Ab sofort gibt es für Mieterstrom eine eigene Vergütungskategorie samt garantierter Förderung, was die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich verbessert. Zudem wurden die Regeln bei der Anlagenzusammenfassung entschärft und Mieterstrom ist jetzt auch in Quartierlösungen[1] möglich.

Das neue Gesetz macht neue Geschäftsmodelle wie etwa das Lieferkettenmodell möglich, sodass sich der administrative Aufwand endlich reduzieren sollte. Kern des Lieferkettenmodells ist, dass ein Energiedienstleister die Lieferung des Mieterstroms übernimmt. So wird verhindert, dass für jedes Mieterstromvorhaben ein Gewerbe angemeldet werden muss und Rahmenverträge mit den Netzbetreibern und Energieversorgern geschlossen werden müssen.

Was ist sonst noch neu?

Der Weitervertrieb alter PV-Anlagen, die jetzt oder in absehbarer Zeit aus der EEG-Vergütung rausfallen, dauert bis maximal Ende 2027 an. Ähnlich sieht es bei veralteten Wind-Anlagen aus. Gesonderte Ausschreibungen führen zu einer Begünstigung, was den Abbau vorerst verhindert.

Darüber hinaus erfolgte eine Anpassung der Grenzwerte bei der Nutzung von Smart Metern. Für Anlagen ab 25 kW wird es verpflichtend werden, ein Smart Meter zu verbauen. Dies ermöglicht eine Ablesung der IST-Einspeisung und eine Steuerung der Einspeiseleistung. Bei Anlagen zwischen 7 kW und 25 kW entfällt hingegen die Möglichkeit zur Regelung der Einspeiseleistung. Außerdem soll die EEG-Umlage zukünftig erstmalig auf 6,5 Cent pro kWh gedeckelt werden. Die Herstellung von „grünem“ Wasserstoff wird außerdem attraktiver, da hier die EEG-Umlage entfallen soll.

Chance vertan – EEG Novelle kein starkes Zeichen für mehr Klimaschutz

Und was bedeuten die Regelungen nun für den Klimaschutz? Bezüglich der Ausbauziele der beiden wichtigsten Erneuerbaren Energiequellen Wind und PV ist bereits jetzt klar, dass es 2021 nochmal eine Anpassung geben muss. Das liegt insbesondere an den Zielen der EU, bis 2030 die CO2-Emission um 55 Prozent zu reduzieren und bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Das Gesetz sieht aktuell eine Erhöhung der installierten Leistung bei Wind von derzeit 54 GW bis 2030 auf 71 GW erhöht vor. Deutlich ambitionierter sind die Ausbauziele bei PV. Hier soll sich bis 2030 die installierte Leistung von derzeit 52 GWp auf 100 GWp fast verdoppeln.

Wie schon in der Vergangenheit enthält auch das neue EEG sowohl Licht- als auch Schattenseiten. Insgesamt haben sich die Voraussetzungen für den weiteren Ausbau der Photovoltaik in Deutschland zwar verbessert. Unnötig komplexe Sonderregelungen für mittelgroße Anlagen bremsen die Entwicklung jedoch massiv aus!

Positiv mag es sicherlich sein, dass der Eigenverbrauch für Strom von kleineren Solaranlagen attraktiver geworden ist. Dabei handelt es sich aber leider nur um die Mindestanforderungen der EU. Von einem wirklichen Erfolg sind wir also auch hier noch weit entfernt. Deutlich fortschrittlicher sind zumindest die Änderungen im Bereich des Mieterstroms, die endlich den Weg für einen flächendeckenden Einsatz ebnen.

Kein Startschuss für ambitionierten Klimaschutz

Für die Windbranche ist das neue EEG hingegen eine echte Enttäuschung. So gab es zwar leichte Verbesserungen in bestimmten Bereichen. Jedoch wurden damit die eigentlichen Probleme wie beispielsweise die sehr langwierigen und kostspieligen Genehmigungsverfahren, fehlende Flächen oder die Förderung von Repowering-Projekten nicht angegangen. Die Folge: Der zuletzt schwache Zubau bei Wind wird sich auch durch das neue EEG sicherlich nicht signifikant erhöhen.

In Anbetracht der drohenden Klimakrise, der breiten Unterstützung für Klimaschutz in der Bevölkerung und der ambitionierten Klimaziele anderer Staaten in der EU bleibt das neue EEG vieles schuldig. Die Gesetzesänderung ist nicht der erhoffte Startschuss für einen ambitionierten Klimaschutz. Statt Deutschland als einen der Vorreiter für die Energie- und Nachhaltigkeitswende zu positionieren, hat die Bundesregierung diese Chance erneut vertan. Die Regierung hat sich lediglich auf schrittweise Anpassungen verständigt. Das Gesetz verlangsamt den Ausbau der Erneuerbaren Energien unnötig. Ob Deutschland die eigene Klimaziele und der EU erreicht, ist zu bezweifeln.

 

Felix Auspurg, WIWIN-Experte für erneuerbare Energien

Felix Auspurg
Teamleiter Projektmanagement bei WIWIN

Felix Auspurg leitet das Projektmanagement bei WIWIN. Als studierter Energieökonom bringt er Expertise im Bereich der erneuerbaren Energie mit und hat sich insbesondere mit Beteiligungs- und Teilhabemodellen für Bürgerinnen und Bürger beschäftigt. Bei WIWIN hat er bereits eine Vielzahl erfolgreicher Kampagnen begleitet und auch das erste Produkt auf Blockchain-Basis strukturiert. Er ist außerdem IHK geprüfter Finanzanlagefachmann.

[1] Eine Quartierslösung ist das Zusammenspiel verschiedener Dienstleistungen rund um räumlich zusammengehörende Gebäudekomplexe. Diese können aus großen Gebäudekomplexen bis hin zu ganzen Stadtvierteln umfassen. Themen, welche bei einer Quartierslösung eine Rolle spielen, sind bspw. Kopplung von Strom- und Wärmeerzeugung sowie der Einsatz erneuerbarer Energien.

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