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Greiners Finanzkolumne: Fängt sich die Solarindustrie die Silberkugel und fährt gegen die Wand?

Autor/in:
Gunter Greiner
5 Minuten Lesezeit
Silber Barren

Die Hersteller von Solarzellen könnten schon bald einen Großteil der globalen Silberproduktion benötigen und werden sich deshalb mit Elektroautoherstellern und Spekulanten in einem Verteilungskampf um das wichtige Edelmetall befinden. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Solarindustrie jetzt die langfristige strategische Silberversorgung sichert.

Sie werden sicherlich in der Presse die Diskussion über eine europäische Batteriefertigung und über neue Produktionsstätten für Computerchips verfolgt haben, die unsere Kernindustrien unabhängiger vom Ausland und den vorherrschenden Lieferengpässen machen sollen. So stellen nicht nur die National-Staaten, sondern auch die großen Automobilkonzerne Milliardensummen bereit, um sich mittels Investments den Zugang zu den wichtigen Batterierohstoffen Lithium, Kobalt und Nickel zu sichern. Während es hier eine berechtigte Hoffnung gibt, dass sich die Branche als Ganzes einen ausreichenden und gesicherten Zugang zu den wichtigen Rohstoffen verschafft, ergibt sich an anderer Stelle eine noch viel größere Bedrohung der Energiewende, die kaum jemand auf der Agenda hat.

Die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien wird in den kommenden Jahrzehnten exponentiell wachsen. Insbesondere die Photovoltaik, also die Erzeugung von Strom mittels Solarmodulen aus Sonnenlicht, wird nach Prognosen verschiedenster Institute zeitnah und weltweit die billigste und wichtigste Energiequelle werden. So wird sich die jährlich produzierte Menge an neuen Solarmodulen von aktuell 350 GWp bis ins Jahr 2030 mit 1.000 GWp fast verdreifachen und bis zum Jahr 2035 mit 3.000 GWp fast verzehnfachen.

Silber ist wichtiger Bestandteil von Solarzellen

Der Kern dieser Solarmodule, die Solarzellen, bestehen aus hochreinem Silizium. Dessen Ausgangsbasis Silizium Oxid ist mit 25% Anteil in der Erdkruste mehr als ausreichend vorhanden.

Mittels aufwändiger mehrstufiger Fertigungsprozesse wird daraus eine Solarzelle gefertigt, die die Lichtstrahlen (Photonen) der Sonne „einfängt“ und in Strom umwandelt. Auf die Solarzelle werden sehr feine Finger aus Silberpaste aufgedruckt, welche die Elektronen ableiten, so dass der Strom „fließen“ kann. Es ist wichtig dafür das Metall mit der höchsten Stromleitfähigkeit zu nutzen, um die Finger möglichst dünn drucken zu können. Dies ist noch weit vor Kupfer und Gold das Edelmetall Silber. Silber ist aber nicht nur wichtiger Bestandteil von Solarmodulen, sondern ist auch wichtiger Werkstoff für elektronische Bauelemente und Elektrotechnik und kommt gerade bei der Elektromobilität und den smarten Stromnetzen verstärkt zum Einsatz. Im Jahr 2022 wurden ca. 15% des weltweiten Silberangebotes für die Solarindustrie benötigt. Der Forscher Dr. Pierre Verlinden führt aus, dass bei unverändertem hohem Verbrauch an Silber pro Solarzelle und einer Solarmodulproduktion von 1.000 GWp im Jahre 2030 bereits 94% der Weltsilberproduktion von der Solarindustrie benötigt werden würde. Da auch die Elektromobilität, smarte Stromnetze und die Elektronik- und Computerbranche als Ganzes einen stark steigenden Bedarf nach Silber haben, deutet sich hier ein gewaltiges Problem an. Natürlich reduziert die Solarindustrie den Silberverbrauch pro produziertem Wp Jahr pro Jahr sukzessive, so wurden nach eigenen Berechnungen im Jahre 2011 noch fast 70 mg pro Wp benötigt, während es im Jahr 2022 nur noch rund 19,5 mg sein werden. Gleichzeitig wird versucht mit neuen Verfahren das Silber durch Kupfer zu ersetzen. Dr. Pierre Verlinden führt deshalb aus, dass die Solarindustrie ihren Silberverbrauch pro Wp bis 2030 um beinahe 90% reduzieren müsste (von aktuell 19,5 mg auf 2 mg) um ihn in einem nachhaltigen Bereich von 20% Anteil des Weltverbrauches zu stabilisieren.

Die neuen Verfahren auf Kupferbasis werden aber momentan erst erforscht und bei der Reduktion des Silbergehalts ist leider eine Abflachung festzustellen. Deshalb halte ich eine solch starke Reduktion in diesem kurzen Zeitraum nicht für wahrscheinlich. Es wird weiterhin dramatische technische Entwicklungsschritte geben, aber meine Berechnungen gehen davon aus, dass die Solarindustrie im Jahre 2030 mindesten 30% der globalen Silberproduktion verbraucht. In die Elektroindustrie und übrigen Industriebereiche werden geschätzt weitere 40-50% fließen und in beiden Bereichen wird es zukünftig eine weitere starke Nachfrage geben.

Deswegen ist es sehr wahrscheinlich, dass wir eine ähnliche Diskussion wie wir sie heute bezüglich den Batterierohstoffen haben, bald auch bei Silber führen müssen. Bei Silber kommt aber im Gegensatz zu den Batteriemetallen ein wichtiger Punkt hinzu: Zusammen mit Gold war Silber früher gleichbedeutend mit Geld und wird von einigen Anleger/innen und Spekulant/innen als das kleine Geschwisterchen des Goldes geschätzt. Gerade in Zeiten von globalen Konflikten, großer Unsicherheit und hoher Inflation werden Edelmetalle von Anlegern und Spekulanten nachgefragt. Die jährliche Silberproduktion beträgt wertmäßig jedoch nur ein Zehntel der Goldproduktion. Der komplette „Silver-Supply“ aus Minenproduktion und Recycling liegt aktuell bei ca. 1 Mrd. Unzen pro Jahr, das entspricht etwa 22,5 Mrd. €.

Es handelt sich also um einen kleinen Markt, der durch einige größere Spekulanten schnell in Bewegung geraten könnte. Als Beispiel seien hier die Gebrüder Hunt genannt, welche Ende der 70er Jahre den Silbermarkt „gecornert“ und den Silberpreis in wenigen Jahren um das 20fache auf 50 Doller pro Unze getrieben haben.

Die Solarindustrie muss sich die wichtige Silberversorgung sichern

Sobald die globale Investmentgemeinde auf die kritische Silberversorgungssituation aufmerksam wird, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich etwas ähnliches wiederholt. Falls sich der Silberpreis aber vervielfacht, so hätte die komplette Solarindustrie ein massives Problem, was im Folgenden die globale Energiewende gefährden würde. Was ist also die Lösung neben den Ansätzen der Solarunternehmen und Forschern selbst, den Silberverbrauch zu reduzieren? Ein Spekulationsverbot, oder gar ein Verbot des Besitzes haben schon bei früheren Fällen nicht funktioniert und sind technisch nicht umsetzbar. Darüber hinaus zeigt das Beispiel der Spekulation an den Nahrungsmittelmärkten, dass man sich auch nicht auf den moralischen Kompass aller Marktakteure verlassen darf und es nur schwer möglich ist, Spekulanten von Industrieverbrauchern zu unterscheiden, die an den Terminbörsen lediglich ihren Bedarf absichern.

Es scheint deswegen unabdingbar, dass sich die Solarindustrie ihren Silberbedarf, ähnlich wie die Automobilindustrie bei den Batteriemetallen, direkt bei den Silberproduzenten durch langfristige Lieferverträge absichert. Ein reines Hedging über die Terminbörsen ist nicht ausreichend, da die Papierkontrakte ein Vielfaches des Volumens der tatsächlichen Silberförderung betragen und diese deshalb, wenn es zu einem Engpass kommt, wahrscheinlich nicht einlösbar sind. Zusätzlich ist eine direkte Beteiligung an Silberproduzenten denkbar. Große Vorkommen gibt es in Lateinamerika, Polen, Australien, Russland, China und den USA. Doch selbst in Deutschland gäbe es Vorkommen, die bei höheren Preisen wirtschaftlich förderbar wären.

Die Notenbanken hielten früher neben Gold auch Silberbestände, jedoch ist anzunehmen, dass diese in den letzten Jahrzehnten nahezu komplett veräußert wurden. Aufgrund der industriepolitischen und strategischen Bedeutung des Edelmetalls wäre es dringend geboten, dass die nationalen Notenbanken wieder entsprechende Bestände anlegen, um der heimischen Industrie bei den absehbaren Engpässen unter die Arme zu greifen.

Warnhinweis: Die auf dieser Seite dargestellten Informationen stellen keine Anlageberatung und keine Kaufempfehlung dar und geben nur die persönliche Meinung des Autors wieder.

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