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Slow Fashion: Zurück zum bewussten Konsum

Die Arbeitsweise der Modeindustrie ist ein Problem. Immer mehr Startups wollen es besser machen.

Hauptsache billig?

Mode ist ein lukratives Geschäft. Auch die Deutschen lassen sich den Inhalt ihres Kleiderschranks einiges kosten: Im Jahr 2017 gab jeder Bundesbürger laut Statistischem Bundesamt 110 Euro im Monat für Bekleidung aus. Gemäß einer Greenpeace Studie kaufen wir im Schnitt etwa 60 neue Teile pro Jahr.

Qualität und lange Haltbarkeit sind nur noch selten die Hauptkriterien für eine Kaufentscheidung. Die so genannte „Fast Fashion“ boomt noch immer: Mode soll im Trend liegen, günstig sein und am besten schnell verfügbar. Textilgiganten wie H&M und Inditex (zur Inditex-Gruppe gehören u.a. Zara, Massimo Dutti und Bershka) locken fast wöchentlich mit neuen Kollektionen und scheinbar essenziellen „Must-Haves“. Die Schnelllebigkeit der Modetrends wirkt sich auch auf den ideellen Wert der Produkte aus: Im Durchschnitt landet ein Kleidungsstück nach weniger als einem Jahr in der Mülltonne oder Altkleidersammlung. In Deutschland sind das insgesamt etwa eine Million Tonnen Textilien pro Jahr – ein Fünftel davon, ohne jemals getragen worden zu sein.

Den wahren Preis für Billigmode zahlen andere

So kurzlebig die Mode, so langfristig die Folgen. Die dunkle Seite des Konsumwahnsinns ist vielen Verbrauchern spätestens seit dem Einsturz der Rana Plaza Textilfabrik in Bangladesch im Jahr 2013 durchaus bewusst. Der Preis, den andere für unsere Billigjeans und -sneaker zahlen, ist hoch. Um die ungebrochene Nachfrage nach Fast Fashion zu bedienen, produzieren die meisten Modeunternehmen in Ländern mit niedrigen Umweltstandards und geringem Lohnniveau. Etwa 90 Prozent der Kleidung in deutschen Geschäften kommt aus Asien, der Großteil davon aus China, Bangladesch oder der Türkei. Die Arbeitszeiten und -bedingungen der weltweit 60 Millionen Menschen in der Textil- und Bekleidungsbranche sind oft unvorstellbar – und das bei Löhnen unterhalb der Armutsgrenze.

Gravierende Folgen für Klima und Umwelt

Auch umweltpolitisch ist die Situation in der Textilindustrie äußerst problematisch. Mikroplastik aus Textilfasern verschmutzt Meere und Trinkwasser, ebenso wie die Pestizide und Düngemittel, die im Baumwollanbau eingesetzt werden. Lange Transportwege und komplexe Lieferketten sorgen für einen gigantischen ökologischen Fußabdruck. Die weltweite Textilproduktion verursacht pro Jahr über eine Milliarde Tonnen CO2 – mehr als alle internationalen Flüge und Schifffahrten eines Jahres zusammen. Die Produktion einer einzigen Jeans verbraucht bis zu 7000 Liter Wasser und verursacht eine Emission von etwa 35 Kilogramm CO2. Die giftigen Chemikalien, die zum Verarbeiten, Färben oder Veredeln eingesetzt werden, stellen zudem eine immense Gefahr für die Gesundheit von Arbeitern und Konsumenten dar.

Auch Fashion kann fair sein

Seit einigen Jahren zeichnet sich eine langsame Trendwende ab. Die Begriffe Slow bzw. Fair Fashion bilden das Gegenstück zum blinden Massenkonsum und stehen für eine nachhaltigere und entschleunigte Modewelt. Immer mehr Labels verzichten bewusst auf eine Ausbeutung von Arbeitskräften, Umwelt und Tieren, versuchen Abfall zu reduzieren und produzieren unter Verwendung nachhaltiger und/oder recycelter Materialien. Die Zeiten, in denen mit nachhaltiger Mode kratzige, farblose Jutekleider gemeint waren, sind dabei längst vorbei. Passform und Tragekomfort fairer Produkte stehen herkömmlicher Mode in nichts nach, sondern überzeugen oft mit hochwertigeren Materialien und besserer Verarbeitung. Unterschiede gibt es beim Preis, der in der Regel etwas höher ist als bei den Fast-Fashion-Giganten, sowie beim zeitloseren Design. Faire Mode zu fairen Preisen, die für mehr als nur eine Saison gedacht ist, soll die Verbraucher zu einem insgesamt bewussteren Kaufverhalten bewegen.

Eco-Labels: Jung, cool, nachhaltig

In Deutschland entstehen vor allem in urbaner Umgebung immer mehr junge Modelabels, die mit nachhaltigen und kreativen Konzepten Teil einer Revolution in der Modewelt sein wollen. Noch ist faire Mode ein Nischenmarkt: Produktionsprozesse, Transparenz sowie die Einhaltung ethischer Standards sind zudem aufwendig und kostenintensiv. Zu den bekanntesten deutschen Fair Fashion Labels zählt das 2007 in Köln gegründete Unternehmen Armedangels. Neben der Detox Denim, einer umwelt- und gesundheitsfreundlichen Jeans, bietet das Unternehmen Kleidung aus zertifizierter Bio-Baumwolle und steht für volle Transparenz. Das Hamburger Unternehmen Hey Honey hat sich auf bunte und nachhaltige Yogakleidung spezialisiert und unterstützt aktuell die Tierschutzorganisation Animal Equality. Madeleine Alizadeh, eine der bekanntesten Nachhaltigkeitsbloggerinnen im deutschsprachigen Raum, hat mit dariadéh ebenfalls ein eigenes Label gegründet. Die Frauenkleidung wird ganz bewusst in Bangladesch produziert, um den dortigen Arbeitern bessere Arbeitsbedingungen zu bieten.

Auch bei den Materialien werden einige Neugründer kreativ: Mit „veganem Leder“, das viele Eigenschaften echten Leders bietet und dabei sogar deutlich haltbarer ist, möchte das Berliner Handtaschenlabel Jenah St. modisch und ethisch anspruchsvolle Kund*innen erreichen. Nach ihren eigenen Erfahrungen in der Textilindustrie in Myanmar, Bangladesch und Pakistan sowie in der Lederverarbeitung beschloss die Gründerin Jena Bautmans, einen Weg zu finden, wie Mode so nachhaltig wie möglich sein und trotzdem Spaß machen kann. Das Unternehmen wurde Ende 2018 gegründet und produziert ausschließlich in Italien.

Im Dschungel der Fair Fashion-Siegel

Anders als bei Bio-Lebensmitteln gibt es derzeit noch kein einheitliches Fair Fashion-Siegel. Greenpeace listet eine Auswahl von 13 Textilstandards auf, darunter der Global Organic Textile Standard (GOTS) sowie IVN Best, das Label des Internationalen Verbandes der Naturtextilwirtschaft. Laut Greenpeace ist keines der Siegel perfekt, GOTS und IVN seien jedoch am vertrauenswürdigsten. GOTS wurde kürzlich auch von der Stiftung Warentest als empfehlenswert eingestuft. Gute Anhaltspunkte für die Nachhaltigkeit eines Produkts sind außerdem Bluesign sowie die Sozialstandards Fairtrade Certified Cotton und Fair Wear Foundation. Sie gewährleisten faire Produktions- und Arbeitsbedingungen, die Verwendung von Bio-Baumwolle ist keine Voraussetzung. Öko Tex hingegen ist ein reines Verbrauchersiegel, das nichts über die Produktionsbedingungen aussagt.

Faire Mode ist noch eine Nische – aber auch die Zukunft

Die Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit in der Modebranche ist sichtbar – das beweist auch das steigende Bewusstsein der großen Textilunternehmen. 79 globale Modemarken haben sich bereits verpflichtet, bis 2020 schädliche Chemikalien durch ungefährliche Substanzen zu ersetzen. Inditex kündigte sogar an, bis 2025 komplett nachhaltig arbeiten zu wollen.

Mit Blick auf Umweltschutz und soziale Verantwortung ist ein großflächiges Umdenken dringend notwendig. Den Ausschlag geben jetzt die Konsumenten, denn Möglichkeiten, wirklich faire Kleidung zu kaufen, gibt es inzwischen überall. Und mit bewussteren Kaufentscheidungen kann sich die auch fast jeder leisten.

Quellen:

https://de.statista.com/themen/89/modemarken/
https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/industriebranchen/textilindustrie#textpart-1
https://www.greenpeace.de/themen/endlager-umwelt/textilindustrie
https://www.dw.com/de/mode-mit-werten-ethisch-korrekt-angezogen/a-17365991
https://www.bmz.de/resource/blob/23386/3c059bab54b61bf149514ff7438a2ffe/materialie295-textilbuendnis-data.pdf 
https://www.independent.co.uk/life-style/fashion/environment-costs-fast-fashion-pollution-waste-sustainability-a8139386.html
https://www.greenpeace.de/presse/presseerklaerungen/giftfreie-mode-greenpeace-prueft-textilsiegel-0
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/umwelt-haushalt/wohnen/faire-kleidung-das-bedeuten-die-siegel-7072
https://www.greenpeace.de/kampagnen/detox
https://www.vogue.de/mode/artikel/news-zara-nachhaltigkeit

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