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„Die Entwicklung eines nachhaltigen Bewertungssystems war für WIWIN ein logischer Schritt“

Jens Secker
Autor/in:
Jens Secker
5 Minuten Lesezeit

Das WIWIN Impact Scoring ist ein nachhaltiges Bewertungssystem, das für mehr Transparenz in der Crowdinvesting-Branche sorgt. Im Interview erklären WIWIN-Impact-Managerin Carlotta Claußen und Julia Hartmann, Professorin für Management und Nachhaltigkeit an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, wie nachhaltig die Finanzbranche aktuell ist und wie es zur Entwicklung des WIWIN Impact Scorings kam.

Julia, mit welchen Themen beschäftigst Du Dich als Professorin für Management und Nachhaltigkeit?

Julia Hartmann: Ich beschäftige mich seit 2009 mit der Nachhaltigkeit in Lieferketten. Produzierende Unternehmen – wie beispielsweise in der Automobilbranche – haben häufig 60 bis 100 Prozent der Wertschöpfung in der Lieferkette. Und das bedeutet, dass in der Lieferkette ein riesiger Hebel besteht, der in Bezug auf die Nachhaltigkeit noch kaum beleuchtet ist. Damals hat in den Unternehmen kaum jemand von Nachhaltigkeit gesprochen. Doch das Thema Management bedeutet grundsätzlich den Umgang mit knappen Ressourcen. Mittlerweile werden zu diesen knappen Ressourcen eben auch viele Dinge gerechnet, die mit dem Klimawandel verbunden sind. Das hat sich in den Unternehmen definitiv geändert.

Prof. Dr. Julia Hartmann, Professorin für Management und Nachhaltigkeit an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht

Wie nachhaltig ist die Wirtschaft in Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt?

Julia Hartmann: Sie steht noch ganz am Anfang. Aber immerhin haben die Unternehmen mittlerweile verstanden, dass der Klimawandel ein Problem ist und dass sie etwas tun müssen. Aber im Bereich der notwendigen Transformation hat sich bisher wenig getan – und das zieht sich wirklich über alle Branchen hinweg. Wir haben vereinzelt Unternehmen, die schon ein bisschen weiter sind als andere. Aber Stand heute gibt es kein Unternehmen [in Deutschland], das mit Fug und Recht behaupten kann, dass es Null-Emissionen hat – und das ohne Offsetting. Das heißt, alle sind am Lernen und am Verstehen. Es gibt auch noch keine Blaupause, sodass man sagen kann: Wenn das und das befolgt wird, dann kann man das Unternehmen wirklich als nachhaltig klassifizieren. Mittlerweile ist das Bewusstsein aber zumindest schon mal in den Köpfen der Entscheiderinnen und Entscheider angekommen und sie arbeiten an Lösungen.

Und wie grün ist aus Deiner Sicht der Finanzbereich?

Julia Hartmann: Auch da steht man noch ganz am Anfang – und ist vielleicht sogar noch etwas langsamer als die produzierenden Unternehmen. Die haben schon vor einigen Jahren gemerkt, dass es ökologische Krisen in ihren Lieferketten gibt – wie etwa Überschwemmungen, extreme Dürren und dadurch Ernteausfälle. Angesichts dessen haben produzierende Unternehmen auch schon etwas früher verstanden, dass sie ihre Emissionen reduzieren und ihre Geschäftsmodelle anders aufsetzen müssen.

Der Finanzsektor hat erst vor kurzem einen Schub in diese Richtung bekommen, auch unterstützt durch politische Initiativen auf EU-Ebene wie die „Sustainable Finance Directive“. Mittlerweile ist auch in der Finanzbranche viel in Bewegung, aber die passenden Modelle müssen sich auch hier erst noch entwickeln.

Carlotta Claußen: Das sehen wir auch im Bereich Crowdinvesting, in dem WIWIN aktiv ist. Die ein oder andere Plattform hat zwar schon mal versucht, etwas in Richtung Bewertung der Nachhaltigkeit zu entwickeln, um ihren Anlegerinnen und Anlegern hier eine Hilfestellung zu geben. Aber mit voller Überzeugung ist das bisher nicht passiert. Dazu muss man sagen, dass es für viele Plattformen auch nicht einfach ist, da Nachhaltigkeit nicht deren Kerngeschäft ist. Das ist bei uns völlig anders. Unser Gründer Matthias Willenbacher hat WIWIN ja ganz gezielt ins Leben gerufen, damit sich mehr Privatpersonen finanziell an der Energiewende beteiligen können. Bei uns kommen grundsätzlich nur Projekte oder Unternehmen auf die Plattform, die einen positiven Impact auf Klima, Umwelt oder Gesellschaft haben, was wir durch sehr strenge Prüfverfahren sicherstellen. Für uns war die Entwicklung eines eigenen Bewertungssystems dann einfach ein logischer Schritt.

Carlotta Claußen, Impact Managerin

Carlotta Claußen, Business Development & Impact Managerin bei WIWIN

Wie kam denn die Zusammenarbeit zwischen Dir, Julia, und WIWIN zustande?

Julia Hartmann: Naja, wir sind ja tatsächlich nur durch einen Fluss getrennt. Ich sitze in Wiesbaden, WIWIN in Mainz. Und es ist tatsächlich so, dass man sich da relativ häufig begegnet. Die EBS setzt sich schon seit Jahren für die Förderung nachhaltiger Start-ups ein und darüber kommunizieren wir auch viel. Dadurch ist WIWIN auf die EBS und auch auf mich aufmerksam geworden und hat bei mir angeklopft, konkret mit der Frage, wie man das Thema Nachhaltigkeit quantifizieren kann. Und das haben Carlotta und ich dann in ein Projekt gegossen.

Carlotta Claußen: Wir haben zunächst mit einem studentischen Workshop begonnen, bei dem wir eine größere studentische Gruppe in drei kleinere Teams eingeteilt haben: in Real Estate, Energy und Start-ups – also passend zu den Projektkategorien von WIWIN und so, wie es heute auch im Scoring abgebildet ist. Das hat uns viel geholfen und wir haben ein konkreteres Verständnis dafür bekommen, wo die Schwachstellen sind und wo die Probleme liegen.

Wie genau funktioniert das WIWIN Impact Scoring?

Carlotta Claußen: Anlegerinnen und Anleger haben bei WIWIN die Möglichkeit, in drei verschiedene Bereiche zu investieren: Erneuerbare Energien, energieeffiziente Immobilien und nachhaltige Start-ups. Jeder dieser Projektkategorien liegen unterschiedliche Gegebenheiten zugrunde. Deshalb haben wir für jede einzelne Projektkategorie verschiedene Bewertungsdimensionen festgelegt, nach denen wir die Projekte und Unternehmen prüfen und bewerten. Ausgehend von den sechs Scores in den Bewertungsdimensionen wird schließlich für jedes Projekt ein aggregierter Gesamtscore berechnet, der zwischen 0 und 100 liegen kann.

Julia, wie warst Du denn in die Entwicklung des WIWIN Impact Scorings konkret involviert?

Julia Hartmann: Den absoluten Großteil der Arbeit hat Carlotta gemacht – und wir haben uns immer wieder zusammengeschlossen, um über den jeweils aktuellen Stand zu sprechen. Dabei habe ich mir dann erlaubt, die eine oder andere kritische Frage zu stellen und die hat dann auch zu der einen oder anderen Justierung geführt. Manchmal hat Carlotta mir aber auch erklärt, warum sie keine Anpassungen vornimmt – und das war dann auch in Ordnung. So ist das Impact Scoring dann iterativ entstanden und das Endergebnis ist richtig gut geworden.

Welcher Aspekt wurde beim WIWIN Impact Scoring aus Sicht der Anlegerinnen und Anleger besonders gut umgesetzt?

Julia Hartmann: Ich finde am Impact Scoring super, dass am Ende ein Wert herauskommt – auch wenn es verschiedene Felder gibt. Also ich habe als Anlegerin einerseits wirklich eine Zahl, die ich in den verschiedenen Produktkategorien vergleichen kann, was es extrem einfach macht. Andererseits ist jedes Scoring so aufgebaut, dass es für den entsprechenden Bereich wirklich Sinn macht. Was ich darüber hinaus total toll finde, sind die vielen kleinen, innovativen Elemente, zum Beispiel im Bereich Erneuerbare Energien: Wird die Fläche, die ich beispielsweise für einen Solarpark nutze, neu erschlossen – oder ist es eine bereits genutzte Fläche, die ich aber jetzt durch den Solarpark besser nutze? Und trotzdem ist das Scoring nicht überfrachtet, was ich aus Sicht der Investorinnen und Investoren total gut finde.

Carlotta, siehst Du denn, dass sich in der Crowdinvesting-Branche eine Art Standard in Bezug auf die Bewertung von Nachhaltigkeit herauskristallisieren kann?

Carlotta Claußen: Das würde uns natürlich sehr freuen und wir glauben auch, dass es von Seiten der Investorinnen und Investoren gerade in Deutschland ein großes Interesse an mehr Standardisierung, Transparenz und Vergleichbarkeit gibt. Und wer weiß: Möglicherweise kann sich aus dem WIWIN Impact Scoring genau so ein Standard entwickeln. Wir sind von WIWIN-Seite jedenfalls gerne für einen Austausch mit anderen Marktteilnehmern bereit, um eine mögliche Weiterentwicklung des Bewertungssystems auf die gesamte Branche voranzutreiben.

Liebe Carlotta, liebe Julia, vielen Dank für das sehr interessante Gespräch!

Mehr Informationen rund um das WIWIN Impact Scoring finden Sie auf unserer Website.

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