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Energiekosten dauerhaft senken

Autor/in:
WIWIN - nachhaltig investieren
> 8 Minuten Lesezeit
Langfristig Energiekosten senken

Die Energiekrise ist hart. Damit das in Zukunft besser wird, müssen jetzt alle Weichen Richtung Zukunftsfähigkeit unserer Energieversorgung gestellt werden. Denn die Klimakrise wartet nicht. Zudem benötigen Haushalte und Wirtschaft eine preisstabile und verlässliche Energieversorgung.

In diesem Artikel beleuchten wir den in unseren Augen zukunftsfähigsten Weg hin zu einem konsequent klimagerechten Energiesystem. Dieses stabilisiert Energiekosten dauerhaft und schützt unsere Wirtschaft durch seine Energie-Souveränität. Gemeint sind der rasante Umstieg auf erneuerbare Energien und massive Energieeinsparungen. Gelingt uns dies, werden wir gestärkt aus der Energiekrise hervorgehen.

Eine gute Nachricht haben wir für Sie vorweg: Die technischen Potenziale erneuerbarer Energien sind deutlich größer als nötig. Für ihre Umsetzung allerdings müssen kritische Hürden aus dem Weg geräumt werden.

Wie die Energiekosten kurzfristig stabilisiert werden können, erfahren Sie ebenfalls hier auf dem Blog.

Wie stabilisieren wir Energiekosten dauerhaft?

Die Antwort liegt nahe: Wir setzen auf die preiswertesten verfügbaren Energiequellen1).

Die aktuelle Energiekrise ist eine Krise der fossilen Energieträger. Volkswirtschaftlich sind erneuerbare Energien bereits seit Jahren am Energiemarkt der preissenkende Faktor. Dass dabei zudem die Abhängigkeit von Energieimporten gesenkt, Ressourcenkonflikte vermieden, Emissionen von Klimagasen verhindert und Lagerungskosten für Atommüll reduziert werden, macht die erneuerbaren Energiequellen so zukunftsfähig. Um diese voll auszuschöpfen, muss die Energiewende endlich von ihren Fesseln befreit werden.

Wie deutlich der Ausbau erneuerbarer Energien Stromkosten senken kann, zeigen Berechnungen des Energiemarkt-Analysten Energy Brainpool2): Wären heute bereits 50 GW zusätzliche Solar- und Windleistung am Netz, dann wären allein im August und September zwischen 19,3 und 19,7 Milliarden Euro volkswirtschaftlich eingespart worden. Der Strompreis wäre in diesen beiden Monaten zwischen 12 bis 24 Prozent niedriger ausgefallen.

Die Potenziale sind höher als der Bedarf 

Wenn Deutschland heute bereits sektorenübergreifend zu 100 % mit erneuerbaren Energien versorgt wäre, würden dafür 1.209 Terawattstunden Strom pro Jahr (TWh/a) (DIW 2021) benötigt werden3). Dieser Jahresstrombedarf ist höher als bislang, da er alle Sektoren umfasst. Mobilität und Wärme werden in Zukunft immer mehr elektrifiziert. 

Technisch mögliche Jahresstromproduktion in Deutschland 

min. [TWh/a] max. [TWh/a]
PhotovoltaikAufdach und Fassade 9001000
Freifläche226230
Parkplätze5959
Floating4444
Agri flach 12001200
Agri hoch 17001700
Windan Land500558
auf See360383
Gesamt49895173

Quellen: Fraunhofer ISE4) Wirth5), eigene überschlägige Umrechnung 

Die technischen Potenziale werden häufig in Gigawatt (GW) installierter Leistung angegeben. Diese haben wir anhand von Durchschnittswerten überschlägig in die mögliche Jahresstromproduktion umgerechnet, um Deutschlands technische Potenziale mit seinem Strombedarf vergleichen zu können. Mit diesen Zahlen gerechnet können wir allein mit den etablierten erneuerbaren Energien – sprich Photovoltaik auf Dächern und Freiflächen sowie Windkraft an Land – mit rund 1.626 bis 1.788 TWh/a mehr Strom erzeugen, als eine zu 100 % erneuerbar versorgte Bundesrepublik Deutschland benötigt.

Natürlich reicht es nicht, wenn wir nun alle technischen Potenziale addieren und uns darauf ausruhen, dass mehr als das Vierfache des Strombedarfs erneuerbar versorgt werden könnte. Denn die praktische Umsetzbarkeit der technischen Potenziale hängt von diversen Regelungen und Verfügbarkeiten ab.

Grundsätzlich erfordert die erneuerbare Vollversorgung einen klugen Strommix, Kurzzeit- und Langzeitspeicher und Flexibilitätsoptionen. Die unterschiedlichen Energiequellen müssen sich ergänzen können. Beispielsweise benötigen Wärmepumpen nachts Windstrom. Konsequenter Klimaschutz gelingt, wenn wir an allen Strängen gleichzeitig ziehen. Dazu zählen alle erneuerbaren Energien, die Energieeffizienz und das Energiesparen gleichermaßen.

Ein Irrweg wäre es, wenn wir mit dem Rosinenpicken anfangen und einzelne erneuerbare Energiequellen ausschließen. Die Umsetzbarkeit der etablierten erneuerbaren Energiequellen ist schneller und einfacher. Ob sich die PV-Innovationen wie Agri, Floating und Parkplatz im Wettbewerb durchsetzen können, wird sich zeigen.

Diskutiert werden kann über den Grad der Zentralität oder Dezentralität: Mehr Dezentralität bedeutet weniger Netzausbau- und mehr Speicherbedarf. Dezentralität bedeutet, dass der Strom dort erzeugt wird, wo er auch verbraucht wird.

Das 100 % erneuerbare Energien möglich sind, bestätigt eine Vielzahl von Studien5). Eine Umstellung könnte laut Berechnungen der Energy Watch Group6) bis zum Jahr 2030 erfolgen. Diese rechnet zudem vor, dass nur so das Pariser ​​1,5 °C-Ziel eingehalten werden kann. Dafür ist eine zusätzliche Beschleunigung (des Ausbaus) nötig, die über die gegenwärtig von der Bundesregierung anvisierten Ausbauziele hinausgeht.

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Barrieren schnell aus dem Weg räumen

Gemessen an den derzeitigen politischen Ausbauzielen für 2030 läuft laut dem DIW Ampel-Monitor der Ausbau alles andere als rund7). Hierfür muss beispielsweise der Photovoltaik-Zubau verdreifacht und der Ausbau der Windkraft an Land vervierfacht werden. Stattdessen bleiben Ausschreibungen unterzeichnet – sowohl für PV-Frei- und Dachflächen als auch für Windkraft.

Woran aber hakt der Ausbau und wie kann er entfesselt werden?

Konstruktive Vorschläge dazu werden von Think-Tanks, Wissenschaftler/innen und Branchenverbänden unterbreitet. Diese veranschaulichen wir beispielhaft entlang der wichtigsten Handlungsfelder:

Flächen für erneuerbare Energien freigeben

Etwa zwei Prozent der Landesfläche werden für Windkraftanlagen benötigt. Die Agora Energiewende schlägt eine Verkürzung der Fristen vor, in denen die Bundesländer jene Flächen bereitstellen müssen8).

Die EEG-Flächenkulisse für Solarparks wird noch nicht von allen Bundesländern freigegeben. Deshalb empfiehlt der Bundesverband Neue Energiewirtschaft, die Länderöffnungsklausel durch eine Opt-Out-Regelung im EEG zu ersetzen, bei der die Länder ausdrücklich widersprechen müssen9).

Durch aktives Repowering von Solarparks, gewerblicher PV-Dachanlagen und Windparks kann zudem die Effizienz erneuerbarer Energien gesteigert werden, wofür Regelungen vereinfacht werden sollten10).

Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen

Für die Windenergie muss laut Agora Energiewende die Vereinbarkeit von Artenschutz und Windkraft endgültig geklärt werden8). Der Bundesverband Windenergie konkretisiert dies und fordert einheitlich ausdefinierte und verhältnismäßige Regelungen zum Vogel- und Fledermausschutz11).

Fehlende oder langwierige Genehmigungen und stockende Bebauungsplanverfahren bremsen die Umsetzung von Solar- und Windparks aus. Teilweise benötigen Genehmigungsverfahren bei Windenergieanlagen bis zu 7 Jahre Zeit, bis es zur Genehmigung kommt. Genehmigungsbehörden benötigen zusätzliches Personal und Verfahren können vereinfacht werden10). Zudem halten komplexe steuerliche Regelungen Landwirt*innen vom Verpachten geeigneter Flächen ab12).

Bürokratie abbauen

Zum Bürokratieabbau im Bereich von PV-Anlagen, Speichern, Wärmepumpen und Wallboxen schlägt der Bundesverband Neue Energiewirtschaft eine ganze Reihe an Vereinfachungen vor13). Eine Steuerbefreiung für kleine PV-Anlagen bis 30 kWp ist regierungsseitig umgesetzt worden.

Fachkräfte rekrutieren und ausbilden

Die Umweltökonomin Claudia Kemfert fordert ein Fachkräfte-Booster-Programm von der Bundesregierung14). Der Landesverband Solarenergie Rheinland-Pfalz sowie der Verband für Wirtschaft und Umwelt empfehlen die Einberufung regionaler Arbeitsmarktkonferenzen durch Handelskammern, IHKs und Arbeitsagenturen15). Ein Recruiting-Programm für Arbeitende aus der Kohle und Automobilbranche wird von den beiden Verbänden ebenfalls angeraten. Der PV Think Tank sieht Potenziale in einer Auslagerung von Pre- und Aftersales-Aufgaben, damit vorhandene Installations-Teams mehr installieren können. Zudem könne man für die PV-Installation ungelernte Kräfte anlernen16).

Flexibilitätsanreize schaffen

Die Agora Energiewende empfiehlt eine Reform der Netzentgelte, die eine für das Stromnetz erforderliche flexible Einbindung von Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen, Elektrodenkesseln und Elektrolyseuren anreizt. Zudem müsse ein Geschäftsmodell für regelbare Kraftwerke gefunden werden8).

Finanzierung sicherstellen

Die Zinswende der EZB erschwert die Finanzierung erneuerbarer Energien. Insbesondere institutionelle Investor/innen werden zurückhaltender, da sie in einem veränderten Zinsumfeld höhere Renditen oder geringere Risiken erwarten werden. Hier kann eine staatliche Absicherung von Investitionen helfen. Zudem machen hierbei nicht-institutionelle Investor/innen einen Unterschied, die in ihren Anlageentscheidungen ethische Gesichtspunkte stärker gewichten17).

Lieferketten stabilisieren

Die Projektumsetzung verlangsamt und verteuert sich, da es – wie in diversen Industrien – pandemiebedingte Lieferengpässe gibt. Dieser Marktsituation kann langfristig durch eine Wiederbelebung europäischer Produktionskapazitäten entgegengewirkt werden, wie es der Schweizer Modulhersteller Meyer Burger vormacht.

Fazit

Die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien ist sowohl kurzfristig als auch mittelfristig die beste Option, um Energiekosten zu stabilisieren. Ebenso ernsthaft angegangen werden sollte der Ausbau von Speicherkapazitäten und Flexibilitätsoptionen durch das gezielte Anpassen von Lasten (z.B. Kühlhaus) an das verfügbare Stromangebot. Dafür müssen Barrieren rasch abgebaut und damit der Ausbau erneuerbarer Energien deutlich beschleunigt werden.

Mit einem vollständig erneuerbaren Energiesystem kann eine für die Wirtschaft strategisch kostbare Energie-Souveränität erreicht werden. Denselben Effekt können Haushalte und Unternehmen auch individuell erreichen, indem sie ihre Energieversorgung baldmöglichst umstellen.

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Quellen:

1): https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/studie-stromgestehungskosten-erneuerbare-energien.html 
https://www.bundestag.de/resource/blob/887090/1867659c1d4edcc0e32cb093ab073767/WD-5-005-22-pdf-data.pdf 
2): ​​https://www.gp-joule.de/newsroom/presse/artikel/studie-erneuerbare-energien-senken-den-strompreis-deutlich
3): S.4, S.3 https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.816979.de/diwkompakt_2021-167.pdf  
4): https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/aktuelle-fakten-zur-photovoltaik-in-deutschland.pdf 
5): https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.816979.de/diwkompakt_2021-167.pdf 
6): https://www.energywatchgroup.org/wp-content/uploads/EWG_Studie_2021_100EE-fuer-Deutschland-bis-2030.pdf 
7): https://www.diw.de/de/diw_01.c.850169.de/nachrichten/ampel-monitor_energiewende__2__der_stand_der_dinge_am_24._august_2022.html#ab_textabschnitt_850135 
8): https://www.agora-energiewende.de/projekte/klimaneutrales-stromsystem-2035/ 
9): https://www.pv-magazine.de/archiv/warum-die-ausschreibungen-fuer-photovoltaik-freiflaechenanlagen-ploetzlich-unterzeichnet-sind/ 
10): https://www.pv-magazine.de/archiv/warum-die-ausschreibungen-fuer-photovoltaik-freiflaechenanlagen-ploetzlich-unterzeichnet-sind/ 
https://wiwin.de/blog/eeg-osterpaket-i 
11): https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/publikationen-oeffentlich/themen/04-politische-arbeit/01-gesetzgebung/20220819_BWE_Bewertung_BNatSchG_2022.pd 
12): https://www.bne-online.de/de/news/detail/positionspapier-erbschaftssteuer-bewertungsgesetz/ 
13): https://www.bne-online.de/de/news/detail/positionspapier-buerokratie-abbau-fuer-dezentrale-photovoltaik-anlagen/ 
14): https://www.augsburger-allgemeine.de/wirtschaft/interview-claudia-kemfert-wir-haben-eine-chance-ohne-russisches-gas-ueber-den-winter-zu-kommen-id63357156.html 
15): https://www.pv-magazine.de/2022/01/05/verbaende-fordern-fuer-2022-arbeitsmarktkonferenz-zu-fachkraeftemangel-in-der-energiewende/
16): https://www.pv-magazine.de/2022/05/05/pv-think-tank-engpass-bei-fachkraeften-kein-limitierender-faktor-fuer-photovoltaik-ausbauziele/
17): https://www.pv-magazine.de/archiv/nur-ein-paar-prozentpunkte-mehr/

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