Warum sich ETFs so schwer mit der Nachhaltigkeit tun
150 Milliarden Euro investierten Privatanleger*innen in Deutschland letztes Jahr in ETFs1). Exchange Traded Funds (=ETFs) gelten als kostengünstig. Anstelle der Gebühren für Fondsmanager wird ein Aktienindex abgebildet. Für ETFs können bequeme monatliche Fondssparpläne eingerichtet werden. Zudem sind ETFs liquide, sprich: Sie können an Börsen an- und verkauft werden. Innerhalb der ETFs gibt es sogar angeblich nachhaltige Angebote.
Handelt es sich also um das perfekte nachhaltige Finanzprodukt?
Mitnichten.
Denn in der Praxis entfalten ETFs bislang keine oder kaum nachhaltige Wirkung. Theoretisch könnte dies geändert werden. Wir zeigen in diesem Artikel, wieso sich ETFs so schwer mit der Nachhaltigkeit tun. Für das Schürfen nach Nachhaltigkeit beginnen wir innerhalb der ETFs mit einem groben Sieb, um anschließend immer feiner auszusieben. Dabei zeigen wir, was getan werden müsste, damit ETFs tatsächlich etwas zur nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft beitragen.
Beginnen wir mit den Namen der ETFs. Diese enthalten gerne Abkürzungen wie ESG (Enviromental Social Governance), SRI (Socially Responsible Investment) oder Clean Energy. Leider erteilen derartige Bezeichnungen keine Auskunft darüber, ob ein ernsthafter Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet wird. Bei genauem Hinsehen sind manche ETFs mit nachhaltigem Namen sogar in signifikant schädliche Aktiengesellschaften investiert.
ETFs müssen kaufen, was sie versprechen
Es gibt eine Vorbedingung, damit ETFs überhaupt einen Impact haben können: Sie müssen die Aktien ihres Indexes tatsächlich kaufen und ihn somit „physisch” nachbilden. Dies wird in den ETF-Factsheets auch gerne als „direkte Replikation” bezeichnet.
Ihrem Gegenstück, den sogenannten synthetischen ETFs („indirekte/synthetische Replikation”) wird in der Regel gar kein Impact-Potenzial zugeschrieben2). Indirekte ETFs bilden zwar die Wertentwicklung ihres Indexes ab, setzen dabei aber – ganz oder teilweise – auf intransparente Tauschgeschäfte („Total Return Swaps”). Dies geschieht, ohne die laut Indexmethode als nachhaltig eingestuften Aktien zu kaufen3).
Der Index bestimmt, was als nachhaltig gilt
Ein Aktienindex, kurz Index, bildet die Kurse ausgewählter Aktiengesellschaften ab. Hierzulande besonders bekannt sind der DAX (Deutscher Aktienindex), der Deutschlands 30 größten Aktiengesellschaften zusammenfasst, und der weltweit wichtigste Index: MSCI World. Es gibt auch Indizes, welche die Aktienkurse vermeintlich nachhaltiger Aktiengesellschaften abbilden.
Hierbei kommen unterschiedliche Auswahlmethoden (Index-Methodologien) zum Einsatz:
- Best In Class: Ausgewählt werden die klassenbesten – sprich nachhaltigsten – Unternehmen eines Wirtschaftsbereiches. Der Bereich selbst muss nicht als nachhaltig gelten.
- Ausschlusskriterien schließen Geschäftsfelder wie Waffen oder fossile Energien aus.
- Positivkriterien wählen Aktiengesellschaften aus unterschiedlichen positiv geltenden Geschäftsfeldern aus.
- Thematische Kriterien fokussieren die Auswahl auf einzelne Themen wie Klimaschutz, erneuerbare Energien oder nachhaltige Landwirtschaft.
Manche Indizes kombinieren die genannten und weitere Auswahlmethoden.
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Am Ende zählt, was tatsächlich drinsteckt
Ganz gleich, nach welcher Methode ein Index nicht-nachhaltige Aktiengesellschaften aussieben will: Für die Nachhaltigkeit zählen die tatsächlich durch den ETF getätigten Investitionen in der Realwirtschaft.
Man muss sich also die konkreten Aktiengesellschaften anschauen, um sich ein grobes Bild von deren Nachhaltigkeit zu machen. Durch das Befassen mit einzelnen Unternehmen ist zwar theoretisch eine indirekte transformative Wirkung zugunsten der Nachhaltigkeit denkbar, in der Praxis ist dies jedoch unwahrscheinlich2). Denn der Rechercheaufwand ist bei ETFs sehr hoch und für Privatleute meist nicht praktikabel. Beispielsweise umfasst der „iShares MSCI World ESG Enhanced ETF” über 1.300 Aktien4). Um sich selbst nur von einer Aktiengesellschaft ein umfassendes Bild zu verschaffen, stehen zudem nur wenige öffentliche und kostenfreie Informationen zur Verfügung. Per Suchmaschine lassen sich meist gerade mal die Branche und etwaige Negativpresse identifizieren.
Wenn ETF-Anbieter*innen selbst detailliert über Finanztitel informieren würden, dann wären ETFs eher in der Lage, eine indirekte Wirkung im Bereich der Nachhaltigkeit zu entfalten. So könnte laut einer wissenschaftlichen Hypothese die bewusst nachhaltige Geldanlage zu informierteren Menschen führen, die in der Folge ihr Kaufverhalten oder ihre Einstellung gegenüber den ausgewählten Unternehmen ändern2).
Kostenlose Recherchehilfe bietet die Faire-Fonds-Datenbank der Vereine Fair Finance und Urgewald. Auch das kostenpflichtige Magazin für nachhaltige Geldanlagen, ecoreporter.de, testet immer wieder die nachhaltige und wirtschaftliche Performance unterschiedlicher ETF-Angebote. Hierbei hat Ecoreporter zahlreiche als nachhaltig beworbene ETFs gefunden, die beispielsweise Investments in Atomwaffen, konventionelle Rüstung, Atom- oder Kohlekraftwerk-Betreibende oder Ölfirmen enthalten5). Natürlich gibt es aber auch „weiße Schafe”.
Bei ETFs kommt häufig das sogenannte Best-in-Class-Verfahren zum Einsatz. Hier werden die Branchen-Besten in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz identifiziert. Dabei verbleibt großer Interpretationsspielraum, ob damit die besten 10 % oder gar nur die „besten” 80 % einer Branche gemeint sind6). Ohne zusätzliche konsequente Ausschlusskriterien könnten beim Best-In-Class-Verfahren zudem beispielsweise auch die „nachhaltigsten” Öl- oder Rüstungsunternehmen gemeint sein – sprich Unternehmen aus kontroversen Geschäftsfeldern, die sich im CSR-Bereich (Corporate Social Responsibility) hervortun.
Viele nachhaltige ETFs setzen auf Ausschlusskriterien. Über konsequente Ausschlusskriterien stellen Sie sicher, dass sie nicht in kontroverse Geschäfte investiert sind, die sie persönlich ablehnen. Sich kohärent zu den eigenen Werten zu verhalten, gibt immer ein gutes Gefühl und kann ebenfalls etwas in der Außenwelt bewirken. Es wäre zwar Wunschdenken, dass damit den nicht-nachhaltigen Unternehmen der Geldhahn zugedreht werden könne. Jedoch erscheint es möglich, dass Divestment (nicht-investieren) die Kurse der aussortierten Aktiengesellschaften senken kann2).
Auch bei Ausschlusskriterien muss genau hingeschaut werden. Achten Sie auf Umsatztoleranzen. Toleranzen von 5 % können noch als juristische Vorsichtsmaßnahme aufgefasst und hingenommen werden. Teilweise sind sie jedoch so hoch, dass die ursprüngliche Idee ad absurdum geführt wird. So gibt es beispielsweise einen Fonds, der laut Eigenwerbung Kohle ausschließt, aber mit seiner Umsatztoleranz von 25 % einfach mal den Betrieb von Kohlekraftwerken bei Energiekonzernen durchgehen lässt7).
Mehrere Positivkriterien bei Mischfonds oder wenige Positivkriterien bei Themenfonds versprechen die gezielte Unterstützung erwünschter Wirtschaftszweige. Sicher ist, dass man dadurch von der wirtschaftlichen Entwicklung dieser Wirtschaftszweige profitieren kann. So kann ein idealer Clean Energy ETF ausschließlich Aktien aus den Bereichen erneuerbare Energien und Energieeffizienz enthalten.
Der Gedanke, durch Positivkriterien für nachhaltiges Wachstum zu sorgen, erscheint zunächst schön, hat aber auch einen ausschlaggebenden Haken: Für etablierte Aktiengesellschaften ändert sich durch den Handel seiner Aktien zunächst wenig – es ist egal, wem die Aktien gehören. Eine direkte transformative Wirkung entfaltet das Kapital erst dann, wenn das Unternehmen zusätzliches Kapital erhält, welches ihm nicht ohnehin zufließt8).
Macht mein Geld überhaupt einen Unterschied?
Damit Ihr Investment einen direkten Unterschied macht, müssen Sie entweder auf Rendite verzichten2) oder höhere Risiken eingehen8). Für solche transformativen Realinvestitionen müsste erst noch ein Index konzipiert werden, der wenig rentable oder riskante Aktiengesellschaften mit nachhaltigen Geschäftsmodellen identifiziert und abbildet. Ob dies überhaupt möglich ist, scheint wissenschaftlich noch nicht untersucht worden zu sein2). Zudem schränkt der Fokus auf Aktien die Auswahl ein. Kleinere nachhaltige Unternehmen wie Impact Start-Ups oder Sozialunternehmen sind häufig in anderen Rechtsformen wie GmbH, UG oder Genossenschaften firmiert.
Heute stehen für transformative Investments andere Wege offen
Im Bereich der privaten Geldanlagen gibt es bislang eigentlich nur eine etablierte Möglichkeit, in transformative Unternehmen zu investieren und diese mit Zusatzkapital auszustatten: Nachhaltige Crowdinvestments. Bei den Renditen müssen zwar selten Abstriche gemacht werden, jedoch werden höhere Risiken eingegangen – insbesondere bei Start-ups. Die festen Laufzeiten von Crowdinvestments erstrecken sich häufig über mehrere Jahre.
Die Transparenz von Crowdinvestments ist gegenüber ETFs deutlich höher. Es handelt sich immer um einzelne Unternehmen, die man sich genau anschauen kann. Die Unternehmen müssen Auskunft erteilen, wofür sie die Mittel einsetzen wollen. Beispielsweise kann ein nachhaltiges Start-up auf eine Wachstumsfinanzierung abzielen. Gelingt ihm das Wachstum, wachsen unmittelbar durch das Investment die nachhaltigen Effekte. Die Investment-Angebote werden auf den Crowdportalen und in den jeweils obligatorischen Dokumenten wie der Anlagebroschüre oder dem Basisinformationsblatt beschrieben. Beispiele hierfür finden Sie selbstverständlich auch hier auf dem WIWIN-Portal.
Einen ersten Eindruck von der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells kann man sich gut verschaffen. Detaillierte Auskünfte über CSR-Berichte oder zu Lieferketten und Beteiligungsverhältnissen stehen nicht immer zur Verfügung. Da es sich aber stets um einzelne Unternehmen handelt, kann man natürlich auch kritische Nachfragen stellen und für sich abwägen, ob die Antworten überzeugen.
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Quellen
1: https://www.swr.de/swr1/rp/programm/artikel-etf-boom-100.html
2: Wilkens, Klein: Welche transformativen Wirkungen können nachhaltige Geldanlagen durch Verbraucherinnen und Verbraucher haben? (2021) https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2021/02/11/gutachten_wilkens_und_klein_nachhaltige_geldanlagen.pdf
3: https://www.weltsparen.de/geldanlage/etf/etfs-synthetisch-physisch/
4: https://www.ecoreporter.de/artikel/etf-test-mehr-als-1000-aktien-weltweit-wie-nachhaltig-ist-der-ishares-msci-world-esg-enhanced-etf/
5: https://www.ecoreporter.de/artikel/nachhaltige-etfs-im-test-wie-grun-sind-die-neuen-lieblinge-der-finanzbranche/
6: https://www.ecoreporter.de/artikel/viele-schlupfl%C3%B6cher-etfs-und-ihr-problem-mit-ausschlusskriterien/
7: https://www.ecoreporter.de/artikel/etf-test-bei-spdr-darf-fast-alles-rein/
8: https://www.nachhaltig-investieren.com/nachhaltigkeit/impact-mechanismen#Zusatzkapital