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Energiekrise: Jetzt Kosten stabilisieren

Autor/in:
WIWIN - nachhaltig investieren
5 Minuten Lesezeit
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Wie kommen wir durch diesen Winter? Dies fragen sich während der Energiekrise viele und fühlen sich verunsichert. In dieses Momentum hinein werden interessengeleitete Lösungsvorschläge propagiert. Zeitgleich läuft bereits das für den Erfolg des Klimaschutzes ausschlaggebende letzte Jahrzehnt. Wie gelingt es, beide Krisen bestmöglich zu meistern?

Was für eine Zeit: Wir stehen am Beginn einer Energiekrise. Als Echo auf die wegen des Krieges in der Ukraine gegen sich verhängten Sanktionen liefert Russland deutlich weniger Gas, von dem noch vieles abhängt. Und als ob dies nicht reichen würde, zeigte die Klimakrise mit einem weiteren Hitzesommer hart und deutlich, dass sie alles andere als bewältigt ist.

Haushalte fürchten die Kälte, unbezahlbare Strom- und Gasrechnungen sowie hohe Preise an der Tankstelle. Ebenso ächzt die deutsche Wirtschaft unter hohen Energiepreisen und macht sich massive Sorgen wegen einer möglichen Rezession. Weniger betroffen davon sind einzig diejenigen, die bereits auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz gesetzt haben.

In dieser Situation finden wir es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und die Herausforderungen konstruktiv anzunehmen.

Deshalb schauen wir uns in diesem Artikel die in der Energiekrise diskutierten Vorschläge an und ob sie wirklich die Energiekosten stabilisieren. Die Zukunftsfähigkeit behalten wir dabei fest im Blick.

Eine gute Nachricht haben wir für Sie vorweg: Die technischen Potenziale erneuerbarer Energien sind deutlich größer als benötigt. Für ihre Umsetzung allerdings müssen kritische Hürden aus dem Weg geräumt werden.

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Was hilft, um durch diesen Winter zu kommen?

Aus unserer Sicht müssen gleichzeitig die Energiekosten stabilisiert und der Klimaschutz verstärkt werden. Beides muss bei beidem mitgedacht werden. Kurzfristig ergeben sich daraus drei Fragen:

  • Wie kann die finanzielle Belastung für Haushalte, insbesondere für Geringverdienende, bestmöglich eingedämmt werden?
  • Wie stellen wir sicher, dass ausreichend Energie verfügbar ist?
  • Wie kann der Ausbau der erneuerbaren Energien massiv ausgeweitet werden?

Neben der Verknappung fossiler Ressourcen spitzt sich die Energiekrise aus einem weiteren Grund zu: In diesem Jahr exportiert Deutschland außergewöhnlich viel Strom1). Frankreich importierte viel Strom, da in Frankreichs Atomkraftwerken zwischenzeitlich nur noch 28 von 56 Blöcken liefen2). Einige Reaktoren müssen saniert werden und andere ihre Leistung absenken, da das Kühlwasser aus Flüssen wie der Rhône fehlt3). Ebenso fehlt in Schweizer Stauseen Wasser zur Stromproduktion4). Der Hitzesommer ist eine Teilursache der Energiekrise.

Nun zu den kurzfristigen Lösungsansätzen der Energiekrise.

Das Wichtigste: Energie sparen

Das Sparen von Energie ist die wichtigste Strategie der Energiekrise:

  • Es kann durch alle umgesetzt werden
  • Es senkt individuelle Energiekosten
  • Es entlastet unser Klima
  • Es spart Öl und Gas ein und ist damit gut fürs Gemeinwohl
  • Es senkt die Nachfrage und dämpft damit Energiepreise

Wie Energie durch Verhaltensänderungen sofort eingespart werden kann, wird in unzähligen Energiespartipps erklärt und durch Tools unterstützt. Leider fallen uns Menschen Verhaltensänderungen sehr schwer, wie es manche vom Abnehmen oder dem Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören kennen. Die theoretischen Potenziale sind dennoch hoch5) – und der Anreiz für energiesparende Gewohnheiten war nie größer als jetzt.

Weitere Potenziale schlummern in zahlreichen gering-investiven Maßnahmen, wie der Umstellung auf LED-Beleuchtung, Zeitschaltuhren oder einem hydraulischen Abgleich. Auch Abschaffungen helfen weiter, wie die überzähliger Kühlgeräte oder Verkleinerungen der (beheizten) Wohnräume. Am meisten bringt selbstverständlich eine energetische Gebäudemodernisierung, die aber kurzfristig für diesen Winter nur in wenigen Fällen realisierbar sein dürfte.

Unternehmen können ebenfalls viel Energie einsparen und ihre Effizienz steigern. Dafür können Verhaltensänderungen angereizt, Energiemanagementsysteme eingeführt und Effizienzinvestitionen getätigt werden6).

Breitenwirksame Lösungsansätze sind ein Tempolimit7) und subventionierte Bahntickets8), womit zugleich Haushalte und Klima entlastet werden können.

Energiekosten kurzfristig senken

Zur Diskussion stehen ebenfalls unterschiedliche Markteingriffe, die auf die Senkung von Energiekosten abzielen. Wir haben uns deren Vor- und Nachteile angeschaut. 

Übergewinnsteuer für Krisenprofiteure:

Von der Krise profitieren unterschiedliche Unternehmen der Energiebranche: Dazu zählen Ölkonzerne9) sowie Teile der Gasindustrie10) und der erneuerbare Energien-Branche11). Solche Übergewinne könnten, mit einer gezielten Steuer versehen, zur Entlastung von Haushalten eingesetzt werden. Deren Umsetzung gilt als rechtlich schwierig12). Wichtig bei einer solchen Steuer wäre, dass ärmere Menschen stärker unterstützt werden als diejenigen, die es aus eigener Kraft schaffen können.

Ebenfalls wichtig bei einer Besteuerung von Krisengewinnen ist, dass die fossile Energieindustrie in die Pflicht genommen wird und es keinesfalls zu einer einseitigen Belastung der erneuerbare Energien-Branche kommt. Denn Letztere benötigt Rückenwind, um die Klimakrise eindämmen zu können. Zudem würde eine Übergewinnsteuer die Finanzierung von Projekten erneuerbarer Energien zusätzlich – über die Zinswende hinaus – erschweren.

Differenzverträge:

Aktuell erhalten Betreiber von PV- und Windkraftwerken eine Marktprämie als Ausgleich ausgezahlt, wenn der Marktpreis unterhalb dem für den Betrieb notwendigen Mindestpreis liegt. Übersteigt der Marktpreis aber den Mindestpreis, fließen die Mehrerlöse an die Erzeuger.

Über Differenzverträge würden solche Mehrerlöse zurück an den Staat gehen und beispielsweise zur Finanzierung erneuerbarer Energien und/oder zur Entlastung von Verbraucher/innen verwendet werden13). Aus Perspektive der Stromerzeugenden würde damit ein Vergütungsmodell entstehen, welches festen Einspeisevergütungen ähnelt.

Strom- und Gaspreisdeckel:

Wie Mieten könnten auch Strom- und Gaspreise gedeckelt werden. Energiepreise würden durch staatliche Zuschüsse gesenkt werden14). Als dies in Spanien ausprobiert worden war, stiegen Spaniens Stromexporte15). Unserer Ansicht nach kappen Preisdeckel die ökonomische Motivation Energie einzusparen, was Klimaziele untergräbt. Zudem würden Marktpreise nicht sinken, weil die Nachfrage durch Preisdeckel nicht gesenkt wird.

Umgekehrt sinken Marktpreise, wenn das Energieangebot steigt. Dies leistet der Ausbau erneuerbarer Energien. Derselbe Effekt tritt bei zusätzlichem Kohle- und Atomstrom ein.

Erneuerbare Energien schnellstmöglich ausbauen:

Wie deutlich der Ausbau erneuerbarer Energien Stromkosten senken kann, zeigen Berechnungen des Energiemarkt-Analysten Energy Brainpool16): Wären heute bereits 50 GW zusätzliche Solar- und Windleistung am Netz, dann wären allein im August und September zwischen 19,3 und 19,7 Milliarden Euro volkswirtschaftlich eingespart worden. Der Strompreis wäre in diesen beiden Monaten zwischen 12 bis 24 Prozent niedriger ausgefallen.

Sollten Kohlekraftwerke laufen?

Nach dem Dürresommer klingt eine zusätzliche Kohleverstromung fatal und abwegig. Jedoch müssen hierbei die Klimakrise und die Versorgungssicherheit miteinander abgewogen werden.

Derzeit werden Steinkohlekraftwerke zurück in den Betrieb genommen, Stilllegungen verschoben und Blöcke auf den Notfallbetrieb vorbereitet. Dass aufgrund der Gasmangellage ein vermehrter Kohleeinsatz in diesem Winter notwendig ist, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Szenariorechnungen festgestellt17). Auch ohne russische Kohle und russisches Gas lasse sich so die Versorgungssicherheit gewährleisten. Zugleich stellt die Studie fest, dass auch damit der Kohleausstieg im Jahr 2030 machbar bleibt. Reduzieren lässt sich der Kohleanteil durch Ausbauerfolge im Bereich der erneuerbaren Energien.

Sollten die Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängert werden?

Die selbige DIW-Studie stellte ebenfalls fest, dass die Stromversorgung auch ohne russische Energielieferungen sichergestellt und der Atomausstieg ohne Verschiebung diesen Dezember abgeschlossen werden kann.

Atomstrom macht keinen großen Unterschied. Er könne laut der Umweltökonomin Sonja Peterson grob überschlägig nur etwa fünf Prozent der deutschen Gasnachfrage ersetzen, da Grundlast keine Spitzenlast ersetzen kann18). Atom- und Kohlekraftwerke liefern eine konstante Grundlast und können sich nicht an kurzfristige Schwankungen der Stromnachfrage und des Stromangebots anpassen.

Gaskraftwerke hingegen können flexibel gesteuert werden und deshalb sogenannte Spitzenlasten liefern. Zudem ist die Sicherheit der Reaktoren Gegenstand einer Kontroverse19). Unserer Ansicht nach ergibt es keinen Sinn, am Atomausstieg zu rütteln, da mögliche Risiken den geringen Nutzen weit übersteigen.

Müssen wir in diesem Winter frieren?

Vielleicht haben Sie sich gefragt, warum wir das Thema Wärmesicherheit nicht zu den wichtigsten Fragestellungen der Energiekrise zählen. Die Antwort ist einfach: Aktuell erscheint es eher unwahrscheinlich, dass in diesem Winter mehr als sonst gefroren werden muss.

Warum ist das so?

Die Füllstände der Gasspeicher lagen bereits Mitte Oktober bei über 90 Prozent20). Bis November wird mit Gasvorräten gerechnet, die für zwei bis drei Wintermonate ausreichen. Zudem wird damit gerechnet, dass diesen Winter bereits drei schwimmende Flüssiggasterminals eingesetzt werden können21).

Sollte im Notfallplan Gas die dritte Stufe ausgerufen werden, betrifft diese nach derzeitiger Gesetzeslage nicht die Haushalte22), sondern Industriekund/innen. Aktuell bewegen wir uns auf der zweiten Stufe (Alarm), bei der die Nachfrage ausschließlich durch marktbasierte Instrumente gestillt wird.

Damit dies in den kommenden Wintern so bleibt, ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien in Verbindung mit zusätzlichen Investitionen in Wärmepumpenheizungen und Gebäudemodernisierungen ausschlaggebend. Ebenfalls begonnen werden muss jetzt – insbesondere im Gebäudesektor – mit der Schulung von zusätzlichem Fachpersonal23).

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Quellen:

1): https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/09/PD22_374_43312.html
2): https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/atomenergie-frankreichs-marode-atomkraftwerke-werden-fuer-deutschland-zum-problem/28700692.html
https://www.manager-magazin.de/unternehmen/edf-atom-risiko-frankreich-wie-electricite-de-france-europas-energiekrise-verschaerft-a-7ea9db2a-01d7-48c2-aef3-a6c91563a3ff
3): https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/kraftwerken-fehlt-wasser-wie-die-durre-die-energiekrise-verscharft-8577820.html
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/frankreich-atomkraft-natur-101.html
4): https://www.nzz.ch/wirtschaft/die-hitzewelle-verschaerft-den-strommangel-im-winter-ld.1694264
5): https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/instrumentierung-energieverbrauchsreduktion
6): https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/energieeffizienz-in-unternehmen.pdf?__blob=publicationFile&v=8
7): https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/einsparpotenzial-tempolimit-101.html
8): https://www.greenpeace.de/publikationen/220718_Klimaticket_Kostenvergleich_0.pdf https://www.erneuerbareenergien.de/transformation/mobilitaet/energiepreise-so-gelingt-entlastung-gerecht-und-klimafreundlich
9): https://www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de/uebergewinnsteuer/?cn-reloaded=1
10): https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/energiekrise-diese-konzerne-wollen-geld-aus-der-gas-umlage-und-verdienen-gleichzeitig-milliarden/28606180.html
https://foes.de/publikationen/2022/2022-06_FOES_Policy_Brief_UEbergewinnsteuer_vs_Kartellrecht.pdf
11): https://krautreporter.de/4537-die-explodierenden-strompreise-verstandlich-erklart?shared=a1bb6beb-5364-427c-b54d-3f797cf5fcbe
12): https://www.diw.de/de/diw_01.c.842829.de/publikationen/wochenberichte/2022_24_3/uebergewinnbesteuerung_bei_oel_und_gas_sinnvoll__aber_in_deutschland_nicht_zu_machen__kommentar.html
https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-910542
13): https://www.diw.de/de/diw_01.c.851328.de/erneuerbare_energien__differenzvertraege_ermoeglichen_schnellen__kostenguenstigen_und_risikoarmen_ausbau.html
14: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/gaspreisdeckel-101.html
15: https://krautreporter.de/4537-die-explodierenden-strompreise-verstandlich-erklart?shared=a1bb6beb-5364-427c-b54d-3f797cf5fcbe
16: ​​https://www.gp-joule.de/newsroom/presse/artikel/studie-erneuerbare-energien-senken-den-strompreis-deutlich
17: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.839634.de/diw_aktuell_84.pdf
18: https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/medieninformationen/2022/verlaengerte-akw-laufzeiten-schaffen-politischen-spielraum/
19: https://youtu.be/tfS3giG1dIg
20: ​​https://app.23degrees.io/view/xIUziAM7T1PR5YOq-choro-aktuelle-lage-der-gasspeicher-in
21: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/fluessigerdgas-lng-terminals-101.html
22: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/F/faq-liste-notfallplan-gas.pdf?__blob=publicationFile&v=10
23: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/fachkraeftemangel-handwerk-energiewende-101.html

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