Ist das eine verbreitete Sichtweise?
Ich würde sagen nein, in der Praxis ist diese Sichtweise dem heutigen, „klassischen“ Bauen eher absolut fremd. Vielen fällt das Denken über unsere eigene Lebenszeit hinaus nämlich total schwer. Dabei kann uns die Architektur sogar in gewisser Weise beim visionären Denken helfen, nämlich dann, wenn man diese langen Zeiträume in die Vergangenheit schaut und sich Gebäude ganz genau ansieht, die dieses hohe Alter bereits erreicht haben. Viele von ihnen sind unter der Bedingung von Energieknappheit entstanden. Trotzdem sind sie offenbar sehr robust und verfügen über eine alterungsfähige Konstruktion und Ästhetik. Auch die Weiternutzung von Bauteilen, Umnutzungen, Umbauten, Kompostierbarkeit oder die Symbiose mit Flora und Fauna sind alles Features, die dieser Architektur zu eigen sind. Ich sehe darin sehr große Chancen für die Zukunft, wenn zum Beispiel abgerissene Entwicklungslinien wieder aufgegriffen und weiterentwickelt werden.
Was genau bedeutet dann eigentlich ökologisches Bauen und Sanieren?
Zunächst heißt das, dass nur das neu gebaut werden soll, was benötigt wird, um Bestandsgebäude oder -ensembles zu transformieren. Auch hier spielt der Zeitbegriff also wieder eine große Rolle. Materialien mit hohem CO2-Ausstoß, wie zum Beispiel Zement, Gips und solche auf der Grundlage petrochemischer Rohstoffe, müssen vermieden werden. Materialien, die zwar einen hohen Energieeinsatz beinhalten, aber prinzipiell wiederverwendet oder umgeformt werden können, müssen unter diesen Aspekten beurteilt und absolut dosiert eingesetzt werden. Das sind etwa Metalle, Glas, Kalk oder auch Naturstein. Die am wenigsten problematischen Baumaterialien sind hingegen Lehm, jährlich nachwachsende Pflanzen wie Schilf, Hanf, Stroh, Gras, Äste und Ruten.
Was das Thema Dämmung angeht, setze ich bei Bestandsgebäuden auf die Innendämmung. Auch historisch gesehen, ist dies die am längsten eingesetzte und damit erprobte Form der Hausdämmung. In der Regel wurden einst nur einzelne Räume gedämmt – nämlich die, in denen sich auch viel aufgehalten wurde. Heute hat Innendämmung leider einen schlechten Leumund. Daran muss gearbeitet werden, was auf dem Schneebergerhof ja auch geschieht.
Welche Vorteile bietet die Verwendung von lokal verfügbaren Baumaterialien auf rein mineralischer und pflanzlicher Basis?
Es wäre einfacher und kürzer, die Nachteile aufzuzählen. Aber das wichtigste und schönste ist vielleicht, dass sich die Vorteile immer kumulieren. Was zum Beispiel gut fürs Klima ist, ist auch gesund für die Bewohner und bereichernd für das Dorf- oder Stadtbild, da sich Farbigkeit und Materialität der Region auch in der Architektur zeigen. Weiter geht es mit Verfügbarkeit, lokaler Wirtschaft und und und…