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„Wer zukunftsfähig bauen will, muss die Architektur auf 500 Jahre auslegen“

Autor/in:
wiwin GmbH
> 5 Minuten Lesezeit
Schneebergerhof Header

Peter Kummermehr ist Architekt in Rheinland-Pfalz. Mit seinem Büro kummermehrarchitektur verfolgt er einen ganzheitlich nachhaltigen Ansatz, inklusive der Integration lokal verfügbarer zukunftsfähiger Baumaterialien. Zusammen mit WIWIN realisiert Peter Kummermehr gerade ein umfassendes Sanierungsprojekt am Schneebergerhof.

Architekt Peter Kummenrmehr

Peter Kummermehr, Architekt

Herr Kummermehr, Sie haben sich mit Ihrem Architekturbüro auf den Entwurf, die Planung und Realisierung zukunftsfähiger Architektur spezialisiert. Wie kam es dazu und was verstehen Sie unter zukunftsfähiger Architektur“?

Nach Steinmetzlehre, Architekturstudium, fünf Jahren als Stadtplaner und weiteren neun Jahren als selbständiger Architekt habe ich immer mehr gemerkt, dass ich mir meine eigene Definition davon erarbeiten muss, was eigentlich der Begriff nachhaltig im Architekturkontext bedeutet. Wie so oft beim Thema Nachhaltigkeit gibt es nämlich auch in der Architektur keine einheitliche Erklärung dafür. Zukunftsfähig bedeutet in erster Linie haltbar oder dauerhaft lebensfähig. Das heißt, die Dimension Zeit ist für die Definition ganz wesentlich. Für mich ist eine Architektur erst dann zukunftsfähig, wenn sie mit der Perspektive 500 Jahre gedacht wird.

Ist das eine verbreitete Sichtweise?

Ich würde sagen nein, in der Praxis ist diese Sichtweise dem heutigen, „klassischen“ Bauen eher absolut fremd. Vielen fällt das Denken über unsere eigene Lebenszeit hinaus nämlich total schwer. Dabei kann uns die Architektur sogar in gewisser Weise beim visionären Denken helfen, nämlich dann, wenn man diese langen Zeiträume in die Vergangenheit schaut und sich Gebäude ganz genau ansieht, die dieses hohe Alter bereits erreicht haben. Viele von ihnen sind unter der Bedingung von Energieknappheit entstanden. Trotzdem sind sie offenbar sehr robust und verfügen über eine alterungsfähige Konstruktion und Ästhetik. Auch die Weiternutzung von Bauteilen, Umnutzungen, Umbauten, Kompostierbarkeit oder die Symbiose mit Flora und Fauna sind alles Features, die dieser Architektur zu eigen sind. Ich sehe darin sehr große Chancen für die Zukunft, wenn zum Beispiel abgerissene Entwicklungslinien wieder aufgegriffen und weiterentwickelt werden.

 

Was genau bedeutet dann eigentlich ökologisches Bauen und Sanieren?

Zunächst heißt das, dass nur das neu gebaut werden soll, was benötigt wird, um Bestandsgebäude oder -ensembles zu transformieren. Auch hier spielt der Zeitbegriff also wieder eine große Rolle. Materialien mit hohem CO2-Ausstoß, wie zum Beispiel Zement, Gips und solche auf der Grundlage petrochemischer Rohstoffe, müssen vermieden werden. Materialien, die zwar einen hohen Energieeinsatz beinhalten, aber prinzipiell wiederverwendet oder umgeformt werden können, müssen unter diesen Aspekten beurteilt und absolut dosiert eingesetzt werden. Das sind etwa Metalle, Glas, Kalk oder auch Naturstein. Die am wenigsten problematischen Baumaterialien sind hingegen Lehm, jährlich nachwachsende Pflanzen wie Schilf, Hanf, Stroh, Gras, Äste und Ruten.

Was das Thema Dämmung angeht, setze ich bei Bestandsgebäuden auf die Innendämmung. Auch historisch gesehen, ist dies die am längsten eingesetzte und damit erprobte Form der Hausdämmung. In der Regel wurden einst nur einzelne Räume gedämmt – nämlich die, in denen sich auch viel aufgehalten wurde. Heute hat Innendämmung leider einen schlechten Leumund. Daran muss gearbeitet werden, was auf dem Schneebergerhof ja auch geschieht.

 

Welche Vorteile bietet die Verwendung von lokal verfügbaren Baumaterialien auf rein mineralischer und pflanzlicher Basis?

Es wäre einfacher und kürzer, die Nachteile aufzuzählen. Aber das wichtigste und schönste ist vielleicht, dass sich die Vorteile immer kumulieren. Was zum Beispiel gut fürs Klima ist, ist auch gesund für die Bewohner und bereichernd für das Dorf- oder Stadtbild, da sich Farbigkeit und Materialität der Region auch in der Architektur zeigen. Weiter geht es mit Verfügbarkeit, lokaler Wirtschaft und und und…

Wie finden Sie Handwerker/innen, die über das nötige Know-how für die Verwendung ökologischer Baumaterialien verfügen?

Wenn man beginnt, diesen Weg zu gehen, begegnen einem Menschen, die Ähnliches sehen und wollen. Das können Handwerker/innen, Architekt/innen, Bauherr/innen oder weshalb auch immer Interessierte sein. Nachdem sehr unverbindlich, aber ausführlich kommuniziert ist, was jeder möchte und bieten kann, kommt es gegebenenfalls zu einer Zusammenarbeit. Ich betrachte den Einstieg in diese Form des Bauens bzw. Umbauens und Sanierens als vergleichsweise niedrigschwellig und für jeden Interessierten leistbar. Ich unterstütze bei den ersten Schritten und stehe bei kniffligen Fragen zur Seite. Die Lernkurve ist sehr steil und jeder kann seine Arbeitsabläufe und seine Fähigkeiten optimieren und es so zur Meisterschaft bringen. Wichtig sind der Wille und die Fähigkeit zu ganzheitlichem Denken und die Freude daran, sich von natürlicher Schönheit inspirieren zu lassen. Ich möchte, dass Bauen Spaß macht, wieder Allgemeingut wird und dass Mensch und Erde davon profitieren.

 

Mit Blick auf die Kosten: Ist ökologisches Bauen und Sanieren eigentlich teurer als der Umbau mit herkömmlichen Materialien?

Das ist natürlich die Frage der Fragen. Wenn Sie mit herkömmlichen Materialien jene meinen, die heute das Bauen dominieren, muss zunächst mal festgehalten werden, dass deren Preis die Kosten für Naturzerstörung, Klimafolgen, Krankheitsfolgen, Entsorgung und so weiter nicht abbildet. Diese Materialien sind auf Maschineneinsatz, Reduktion von Verarbeitungszeit und die Erzielung von Oberflächeneffekten optimiert. In der gleichen Marktlogik konkurrieren zu wollen, ist aussichtslos.

Der Markt strebt aber auch immer mehr zu Bausystemen und Halbfertig- oder Fertigprodukten, mit denen man sich von den Preisen der Mitbewerber abkoppeln und Handwerker/innen an sich binden möchte. Hier sehe ich die Chance für das Bauen mit einem überschaubaren Sortiment, das vielleicht zehn verschiedene Naturmaterialien beinhaltet. Diese können nur schwer künstlich verteuert werden, da sie praktisch überall verfügbar sind und das wiederum könnte eventuell höhere Arbeitskosten ausgleichen. Es sind sozusagen die Systembaustoffe der Natur und das Bausystem heißt „handwerkliche Baukunst“.

 

Das Wohngebäude am Schneebergerhof ist Teil eines landwirtschaftlichen Guts, aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ist die Sanierung eines historischen Gebäudes mit besonderen Herausforderungen verbunden?

Nein, sie ist sogar einfacher, da die Architektur aus eben jenen Baumaterialien besteht, mit denen auch saniert und energetisch ertüchtigt wird. Die Konstruktionen sind prinzipiell reparier- und anpassbar. Auch die Bauteile wurden häufig bereits zweit- oder drittverwendet. Wenn dann auch noch die Konstruktion die häufig unsachgemäßen Sanierungen seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einigermaßen überlebt hat, können historische Gebäude noch ein langes Leben vor sich haben.

Ökologisches Bauen mit Naturmaterialien
Innendämmung mit Naturmaterialien

Innendämmung der Giebelwände aus Pflanzenkohle-Hanfschäben-Kalk.

Wie genau läuft die energetische Sanierung am Schneebergerhof im Detail ab?

Bei der Innendämmung mit Hanf-Kalk, Perlite-Kalk oder auch Pflanzenkohle-Kalk wird eine diffusionsoffene, dämmende Schicht hohlraumfrei an die Innenseite der Außenwände gebracht. Dies passiert direkt auf dem vom alten Putz befreiten Mauerwerk. Dabei ist ein sorgfältiger Anschluss an angrenzende Bauteile und eine Beschichtung mit einem Lehm- oder Kalkputz ohne klaffende Risse oder Fugen besonders wichtig. Gleichzeitig muss der ganze Aufbau diffusionsoffen bleiben. Die Materialien werden fest in eine spezielle Form gedrückt oder bei der Verwendung von Perlite-Kalk darauf geworfen. Es ist wichtig, dass der mineralische Untergrund gut mit Wasser benetzt ist. Möglicherweise kann auch eine Schicht aus Kalkmörtel aufgetragen werden, um die Saugfähigkeit gleichmäßig zu machen.

Neben der Elektro- und Heizungsinfrastruktur werden Dreiecksleisten als Verankerung eingearbeitet, wenn man nicht nachträglich verdübeln möchte. Das Dämmmaterial bindet durch CO2-Aufnahme aus der Luft ab und muss so lange feucht bleiben. Im Gegensatz zu zementär gebundenen Materialien oder Gips ist die materialbedingte CO2-Bilanz damit neutral. Mögliche Kältebrücken, wie in die Außenwände einbindende Innenwände, müssen noch bearbeitet werden. Außerdem gilt es sicherzustellen, dass alle Außenwände gedämmt sind und auch Fenster und Türen mit einem Uw-Wert unter 1,3 oder besser unter 1,0 vorhanden sind (Wärmemenge, die bei einer konstanten Temperaturdifferenz von 1 Kelvin zwischen innen und außen durch 1m2 des Fensters fließt – Anm. der Redaktion).

Ökologisches Bauen

Leichtbaubekleidung mit der Moorpflanze Schilf als Träger für Kalkputz.

Die fertig verputzten Oberflächen wurden mit Sumpfkalktünche weiß gestrichen. Zusammen mit den aufgearbeiteten mehr als 100 Jahre alten Hölzern entsteht eine angenehme Atmosphäre.

Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2045 Klimaneutralität im Gebäudebestand zu erreichen. Sind wir hier Ihrer Meinung nach auf einem guten Weg?

Neben der Umstellung auf Strom und den Effizienzvorteilen von Wärmepumpen bleiben meiner Meinung nach weitere Einsparungen, wo auch immer sie möglich sind, ein Schlüsselfaktor. Daher wird die energetische Sanierung des Bestandes neben dem Nutzerverhalten sehr wichtig bleiben. Mir ist es ein Anliegen, dass dies relativ niedrigschwellig mit den richtigen Materialien möglich ist. Aktuell mag es vielleicht nicht so gut aussehen mit der Erreichung dieses Ziels. Um so wichtiger ist es, die Politik, die aus ihrer Logik heraus nicht vorangehen kann, ein Stück weit auszublenden und Techniken, die erwiesenermaßen zukunftsfähig sind, weil sie das in der Vergangenheit auch schon waren, weiterzuentwickeln.

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