„Die Zukunft nicht wegwerfen.“
Seit Mitte Juni haben Anleger/innen über WIWIN die Möglichkeit, in die Euro Plant Tray eG zu investieren. Die Genossenschaft aus über 30 Firmen aus ganz Europa hat es sich zur Aufgabe gemacht, Einwegplastik in der Transport- und Handelsphase von Pflanzen radikal reduzieren. Jens Oldenburg von der Stiftung Initiative Mehrweg hat uns im Interview erklärt, wie es zur Gründung von EPT kam, welche Hürden dabei überwunden werden mussten und warum die Politik international noch mehr zusammenarbeiten muss.
Seit wann gibt es die Stiftung Initiative Mehrweg und was ist euer Ziel?
Jens: Die Stiftung gibt es mittlerweile seit 27 Jahren. Wir kämpfen also seit über 25 Jahren für Mehrweg. Unsere Stiftung hat drei Themenschwerpunkte: Erstens führen wir Studien durch, in denen wir gemeinsam mit der Wissenschaft herausfinden, welche Vorteile Mehrweg birgt und wie man diese Vorteile auch wirtschaftlich nutzen kann. Dafür arbeiten wir sehr häufig mit verschiedenen Fraunhofer-Instituten zusammen. Der zweite Schwerpunkt ist die Information von politischen Entscheidern und Bürgern. Unser dritter Schwerpunkt liegt bei der Förderung einzelner Mehrweg-Projekte.
Wie bist du zur Stiftung Initiative Mehrweg gekommen?
Jens: Ich habe Geschichte und Politik in Freiburg und Berlin studiert und bin danach bei einem Versicherungskonzern gestartet. Dort habe ich unter anderem Lobbyarbeit und Verbandsarbeit gemacht. Danach bin ich als Vorstand in einem Unternehmen eingestiegen. Ich hatte damals aber bereits den Wunsch, etwas nachhaltigeres zu machen und bin so schlussendlich zur Stiftung gekommen.
Ich glaube, wenn wir es schaffen, weniger Müll zu produzieren, tun wir etwas Gutes auch für die Folgegenerationen. Optimal ist natürlich, wenn eine Mehrweglösung den Unternehmen auch einen finanziellen Vorteil bringt, so wie es bei EPT der Fall ist. Wenn wir es schaffen, eine gute Mischung aus Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit zu finden, haben wir die Chance, die Wirtschaft wirklich grüner aufzustellen, ohne dass es zu einem Wohlstandsverlust kommt. Wir können effizient und nachhaltig leben und müssen auf gar nicht viel verzichten.
Wer hat denn das EPT-Projekt ins Leben gerufen?
Jens: Die Idee hinter EPT kam durch die Stiftung Initiative Mehrweg. Wir haben dann die verschiedenen Marktteilnehmer an einen Tisch gebracht und die Rolle eines Moderatoren eingenommen, als neutrale Instanz quasi. Wir haben die Geschäftsführungen der teilnehmenden Unternehmen intensiv betreut und die Sitzungen geleitet.
Darüber hinaus haben wir mit den einzelnen Personen gesprochen und es so geschafft, das Projekt zu einem gemeinsamen Ziel zu führen, ohne dass dabei die individuellen Interessen der einzelnen Beteiligten im Vordergrund standen. Bisherige Mehrweglösungen konnten sich nach meiner Einschätzung nicht durchsetzen, da sie oft mit Eigeninteressen der anbietenden Firmen verbunden waren oder nicht dem gesamten Markt offenstanden.Das war bei EPT von Anfang an ganz anders. Alle haben auf ein gemeinsames Ziel hingearbeitet.
Ihr habt das EPT-Projekt Anfang 2020 gestartet. Zu dieser Zeit kam gerade das Coronavirus Europa an.
Jens: Dass sich die Online-Kommunikation in der Zeit von Corona so schnell verbreitet hat, ist wahrscheinlich ein Grund dafür, dass wir das Projekt überhaupt so schnell umsetzen konnten. Ohne Videokonferenzen hätten wir niemals 70 Personen von dieser Qualität zur selben Zeit in einen Raum bekommen. Aber so konnten wir klare Sitzungstermine vorgeben, die langfristig planbar und kalkulierbar waren. Wir haben die Zeiten exakt eingehalten und so konnte jeder seine Planung danach ausrichten.
Wir hatten Kartellrechtler, Anwälte für das Thema Vertragsrechte und Wirtschaftsprüfer während der Sitzungen dabei, die aufgepasst haben, dass alles stimmig ist. Wir haben Teilprojekte gebildet, an anderen Teilprojekten weitergearbeitet und am Ende haben wir anhand der Protokolle ein erstes Basis-Briefing erstellen können, nach dem Motto: Das sin
Habt ihr vor EPT schon andere Projekte dieser Art umgesetzt?
Jens: EPT ist unser Pilotprojekt, allerdings muss man dazusagen, dass unser Kuratoriumsvorsitzender, Günter Gerland, hat langjährige, internationale und erfolgreiche Erfahrung im Poolmanagement unter anderem bei IFCO und Container Centralen. Ich habe eher den theoretischen Hintergrund. Insgesamt war das für uns ein sehr lehrreicher Prozess, weil wir gesehen haben, dass man mit verhältnismäßig wenig Aufwand eine große Wirkung erzielen kann. Es geht nicht darum, Millionen zu investieren, sondern wir haben es geschafft, mit geringen Mitteln und klaren Rahmenbedingungen, Dinge zu bewegen. Das ist das, was wir selbst gelernt haben und das, was wir auch als Blaupause für andere Branchen sehen.
Ihr habt Ende April die Studie „Die Zukunft nicht wegwerfen“ vorgestellt. Was sind die Kernergebnisse dieser Studie?
Jens: Wir haben gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT Mehrwegsysteme und ihre Einwegalternativen anhand von 17 Kriterien untersucht und bewertet. Ein Kriterium war beispielsweise die Reparierbarkeit. Das ist meiner Meinung nach ein Aspekt, der heutzutage an Bedeutung verloren hat. Aber bei vielen Systemen, die teuer hergestellt wurden, macht es eher Sinn, sie zu reparieren, anstatt sie zu ersetzen. Es zeigt sich deutlich, dass Mehrweg in den allermeisten Kriterien deutlich besser abschneidet als Einweg.
Kannst Du dafür ein konkretes Beispiel nennen?
Jens: Ein gutes Beispiel sind die grünen Kisten, in denen häufig Obst und Gemüse transportiert werden. Sie bestehen aus einem Boden und vier aufklappbaren Seiten. Wenn eine der aufklappbaren Seiten kaputt ist, wird nicht die gesamte Kiste geschreddert, sondern es wird nur die eine Seite ausgetauscht.
Ein weiteres wichtiges Kriterium für uns bei dieser Studie ist die Unabhängigkeit von Ressourcen. An den Beispielen des Ukraine-Konflikts oder des Suez-Kanals haben wir gemerkt, wie anfällig unsere Lieferketten sind und wie schnell wir vor Versorgungsengpässen stehen. Wenn man es aber schafft, Materialien im Kreislauf zu führen, dann müssen diese nicht importiert werden und man hat seine eigenen Materialien, die immer wieder einen Kreislauf führen.
So ist es auch mit den Obst- und Gemüsekisten: Sie haben einen Umlauf von 70- bis 100-mal. Wenn die Kisten defekt sind, dann werden sie geschreddert und aus dem Granulat entsteht eine neue Obst- und Gemüsekiste.
„Ich fordere einfach mehr Mut von der Politik, Entscheidungen in Richtung Nachhaltigkeit zu treffen. Denn es ist im Prinzip so einfach, mit den richtigen Maßnahmen etwas zu bewegen. Das sehen wir ja auch mit dem EPT-Projekt.“
– Dr. Jens Oldenburg, Geschäftsführer der Stiftung Iniative Mehrweg
Wo steht denn die Politik aktuell beim Thema Mehrweg – in welchen Bereichen ist schon viel passiert, wo siehst du noch Bedarf?
Jens: Es ist leider häufig immer wieder das gleiche Problem: Der Wille ist da und auf halbem Weg verlässt die Politik der Mut – ob in Berlin oder in Brüssel.
Ein Beispiel: In der EU-Kommission wurde gerade die PPWR verabschiedet, die European Packaging and Packaging Waste Regulation. Darin wird geregelt, dass zukünftig auf Einwegplastik verzichtet werden soll. Die PPWR war lange auf einem guten Weg, dann hat sich eine sehr mächtige Papp-Lobby eingemischt und Pappe ist plötzlich nicht mehr in der PPWR geregelt.
Die Politik war also auf dem richtigen Weg und dann kamen nationale Interessen dazwischen.
Jens: Es gibt Länder, die sehr viel aus Pappe produzieren, Finnland zum Beispiel. Italien wiederum setzt komplett auf Recycling, weshalb sie kein Mehrweg wollen. Das sind natürlich alles individuell begründbare Einzelschicksale. Wenn man allerdings eine nachhaltige Wende will, dann muss man sich umstellen und die richtigen Schritte gehen – und zwar gemeinsam.
Das Einzige, was mit der PPWR am Ende wirklich verboten wurde, sind Plastik-Systeme im B2B-Bereich. Das ist einfach schade. Ich fordere einfach mehr Mut von der Politik, Entscheidungen in Richtung Nachhaltigkeit zu treffen. Denn es ist im Prinzip so einfach, mit den richtigen Maßnahmen etwas zu bewegen. Das sehen wir ja auch mit dem EPT-Projekt.
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