„Um die Ernährungskrise zu bewältigen, brauchen wir dezentrale und nachhaltige Produktionshubs für Lebensmittel“
Die WiFood Center GmbH & Co. KG ist ein Unternehmen aus Rheinland-Pfalz, das sich auf die regionale und regenerative Lebensmittelproduktion spezialisiert hat. In diesem Zusammenhang wird WiFood Center auch schon bald ein Gewächshaus am Schneebergerhof im Donnersbergkreis in Rheinland-Pfalz mieten und dieses nachhaltig bewirtschaften. Aktuell befindet sich das „Agrarvision Gewächshaus“ auf dem landwirtschaftlichen Gut noch im Bau und Privatpersonen haben ab dem 04. Februar 2025 über WIWIN die Möglichkeit, in die Kurzanleihe Agrarvision Gewächshaus zu investieren.
Im Interview erklärt Andreas Blatt, Chief Scientific Officer bei WiFood Center, wie das Projekt genau entstanden ist und was das Agrarvision Gewächshaus so innovativ und besonders macht.
Wie ist die Idee für das Gewächshaus entstanden und was ist die Vision für dieses Projekt?
Andreas: Die ursprüngliche Vision für das Gewächshaus stammt von Matthias Willenbacher. Er kam damals auf mich zu mit der Idee, ein Gewächshaus an seinem Geburtshof in Gerbach am Schneebergerhof zu errichten, das mit 100% Erneuerbarer Energie betrieben wird und ein Musterbeispiel für ressourcenschonende Gemüseproduktion sein soll. Hierfür ein Konzept entwickeln zu können, war für mich natürlich eine großartige Perspektive.
Die ersten Schritte der Projektentwicklung sind wir dann gemeinsam mit Kooperationspartnern von der aquaponik manufaktur GmbH in Issum gegangen, die mit großem Fachverstand und Weitblick verschiedene Abschnitte des Projekts mitgeformt haben. Über die Jahre wurde die Vision und damit das Konzept immer weiter verfeinert – quasi bis heute, wo wir uns in der baulichen Umsetzung befinden.
Welche Rolle hat dein wissenschaftlicher Hintergrund als Molekularbiologe bei der Planung des Gewächshauses gespielt?
Andreas: Wenn ich meinen Arbeitsalltag und speziell den gesamten Planungsprozess des Projekts betrachte, bringt meine wissenschaftliche Ausbildung auf jeden Fall viele Vorteile mit sich. Als Molekularbiologe wird man wird darauf getrimmt, kritisch und analytisch zu denken und genaustens auf Details bei Prozessen zu achten. Der Raum für Fehler ist bei vielen Laborprojekten sehr gering und man verwendet unter Zeitdruck notgedrungen oft viel Energie darauf, herauszufinden, warum etwas nicht funktioniert hat. Das sorgt dafür, dass ich aktiv an Probleme herangehe und macht mich sicherlich ein Stück weit frustrationstolerant.
Auch bei der Vernetzung mit Expertinnen und Experten aus Forschung und Entwicklung und der eigenständigen, tiefgehenden Recherche zu den technischen Aspekten des Projekts hat meine wissenschaftliche Ausbildung sehr geholfen. Als Pflanzenwissenschaftler habe ich oft eine andere Sichtweise auf das „System Pflanze“ und damit auch auf die Anbautechnik als die meisten Systemanbieter oder Planer. Ich habe in der Vergangenheit oft erleben müssen, dass gewisse Dogmen bei Systemen bestehen, für die moderne Forschung schon längst andere Perspektiven bietet. Da am Puls der Zeit sein zu können und zu unterscheiden, was sinnvoll und was vielleicht auch übertrieben ist, waren zwei der wichtigsten Voraussetzungen bei der Planung des Gewächshauses.
Welche besonderen Herausforderungen musstest du bei der Planung überwinden, um das Konzept in die Praxis umzusetzen?
Andreas: Am Anfang ging es für mich natürlich zunächst einmal darum, die beteiligten Partnerunternehmen und vor allem Matthias von meinem Konzept zu überzeugen. Das war nicht immer einfach. Denn in diesem Kontext musste ich neben dem technischen Part auch die betriebswirtschaftliche Seite des Projekts detailliert ausarbeiten. Das war schon sehr viel auf einmal und nicht unbedingt ein sanfter Einstieg in die Wirtschaft (lacht).
Eine besondere technische Herausforderung war außerdem, dass wir im Agrarvision Gewächshaus ganzjährig bei gleichbleibender Qualität Gemüse und Kräuter produzieren wollen. Durch unsere eigenen Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen vor Ort können wir verhältnismäßig günstig nachhaltige Energie beziehen. Das ermöglicht Perspektiven und technische Lösungen, über die man sonst eher nicht nachdenken muss.
Worin siehst du die dringendste Notwendigkeit für das Gewächshaus und welchen konkreten Nutzen soll es erfüllen?
Andreas: Ich bin überzeugt, dass dezentrale und nachhaltige Produktionshubs für Lebensmittel ein wichtiger Teil der Lösung für die immer stärker werdende Ernährungskrise der Zukunft sind. Dazu muss man sich aber von der „Blaupausenidee“ verabschieden, dass es eine universale Lösung für alle Probleme gibt – das wird der Realität nicht gerecht.
Ich denke, dass wir mit unserem Projekt einen wichtigen Impuls senden, dass man innovative und unkonventionelle Lösungen umsetzen muss, die den Standortbedingungen gerecht werden und so solide durchgeplant sind, dass sie auch wirtschaftlich nachhaltig sind. Nur so ermutigen wir Investorinnen und Investoren auch in Zukunft, in gesunde und ressourcenschonende Anbaumethoden und Projekte zu investieren. Und unsere Kundinnen und Kunden bekommen statt spanischen Tomaten im Winter gesunde, regionale Tomaten auf den Teller – ganz ohne Einsatz von fossilen Brennstoffen oder Pestiziden.
„Ich denke, dass wir mit unserem Projekt einen wichtigen Impuls senden, dass man innovative und unkonventionelle Lösungen umsetzen muss. Nur so ermutigen wir Investor/innen auch in Zukunft, in gesunde und ressourcenschonende Anbaumethoden und Projekte zu investieren.“
– Andreas Blatt, CSO WiFood Center GmbH & Co. KG
Was macht das Agrarvision Gewächshaus aus deiner Sicht so besonders?
Andreas: Die größte Besonderheit des Gewächshauses ist die erwähnte Möglichkeit, auch über den gesamten Winter Gemüse und Kräuter zu produzieren. Hierzu wurden technisch mehrere Lösungen eingeplant, die dies ermöglichen.
Der Knackpunkt für den Anbau unter Glas im Winter ist nämlich: Es ist zu kalt und zu dunkel für ausreichendes Wachstum. Das heißt, es muss einerseits geheizt werden. Hier setzen wir auf den Einsatz moderner und energieeffizienter Wärmepumpen mit niedriger Vorlauftemperatur – ein Konzept, für das wir auch die BAFA (Anm. d. Redaktion: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) überzeugen konnten, die uns nun Fördermittel zur Verfügung stellt. Weiterhin benötigen wir eine Beleuchtung im Gewächshaus. Statt auf energieintensive Lösungen mit Hochdruck-Natriumdampflampen setzen wir auf moderne LED-Beleuchtung.
Eine weitere Besonderheit bei uns ist die aktive Entfeuchtung der Raumluft und Rückführung des Wassers in den Wasserkreislauf der Pflanzen. Auch sogenannte Kondensatfallen werden eingesetzt, um zusätzliches Wasser aus der Raumluft zu ziehen und besonders wassersparend zu bleiben. Und nicht zuletzt setzen wir bei der Eindeckung des Gewächshauses auf einen hohen Dämmwert. So erreichen wir eine mehr als dreimal bessere Wärmedämmung als gewöhnliche Gewächshäuser mit Einfachverglasung.
Gewächshäuser können sehr energieintensiv sein. Wie nachhaltig ist das geplante Gewächshaus?
Andreas: Das stimmt, Gewächshäuser punkten zwar oft mit einer höheren Flächen- und Ressourcennutzungseffizienz, speziell bezüglich Düngemittel und Wasser, sie sind aber energieintensiver als konventioneller Feldanbau. Trotzdem wollen wir alle auch im Winter auf Tomaten und frische Kräuter und Salate nicht verzichten müssen. Darum haben wir uns in Anbetracht unserer vor Ort produzierten grünen Energie entschieden, den Anbau auch im Winter zu realisieren.
Um der Aufgabe gerecht zu werden, haben wir technische Lösungen nach dem aktuellen Stand der Forschung eingebaut, um eine Optimierung des Energieverbrauchs zu erreichen – wie ich vorhin schon beschrieben habe. Durch genaue Dokumentation und Auswertung der Verbräuche werden wir zudem im laufenden Betrieb den Bedarf an Energie stetig optimieren.
Inwieweit könnt ihr eure Produktpalette durch das Gewächshaus erweitern?
Andreas: Am Schneebergerhof wird von unserem Team bereits seit Jahren regionales Obst und Gemüse im Freiland angebaut. Wir setzen hier gezielt auf traditionell nachhaltige Anbaumethoden wie Market Gardening oder verwandte Konzepte, um bis zu 40 Sorten Obst und Gemüse zu produzieren. Das Agrarvision Gewächshaus steuert hierzu natürlich ganzjährig, aber vor allem im Winter gesundes Gemüse bei, sodass wir zukünftig eine großartige Vielfalt an Sorten rund ums Jahr anbieten können. Es ergänzt den bestehenden Betrieb also sehr gut.
Welche Rolle spielt das Gewächshaus für die Weiterentwicklung des Schneebergerhofs?
Andreas: Der Schneebergerhof ist für mich ein wunderbarer Ort, an dem man nachhaltige Projekte verschiedener Art erleben kann: von nachhaltiger Energieproduktion über den Anbau von Gemüse, Obst und Pilzen hin zu Schulungen für Interessierte und viele weitere mehr. Das Agrarvision Gewächshaus ist ein Leuchtturmprojekt für den Schneebergerhof, das jetzt schon weit über unsere Region hinaus und auch im Ausland großes Interesse hervorruft. Gleichzeitig sind wir aber noch nicht fertig. Ohne bereits zu viel verraten zu wollen, möchten wir das Agrarvision Gewächshaus hinsichtlich Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in der Zukunft nämlich noch auf eine weitere Stufe heben. Ihr dürft also gespannt sein.
Vielen Dank für das Gespräch, Andreas!
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