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Grüner Wasserstoff: Das Marktpotenzial in Deutschland und Europa

Autor/in:
Hendrik Petersen, Head of Board Projects Eternal Power GmbH
5 Minuten Lesezeit

Wie groß ist das Potenzial der grünen Wasserstoffwirtschaft in Deutschland? Und welchen Einfluss nimmt der regulatorische Rahmen darauf? Diese Fragen beschäftigen Hendrik Petersen vom Hamburger Wasserstoff-Startup Eternal Power tagtäglich. In diesem Gastbeitrag liefert er einen Überblick über die Notwendigkeit ambitionierter politischer Klimaziele sowie verbindlicher Quoten zur Umsetzung dieser Ziele auf EU und nationaler Ebene. Zudem beleuchtet er die daraus entstehenden wirtschaftlichen Chancen für grünen Wasserstoff aus Deutschland.

EU macht Klimaneutralität zur Verpflichtung

Der Klimawandel beschleunigt sich drastisch und verursacht heute schon erhebliche wirtschaftliche Schäden: Seit dem Jahr 2000 haben Extremwetter in Deutschland Schäden von mindestens 145 Milliarden Euro verursacht – allein 80 Milliarden davon in den letzten fünf Jahren. Für die kommenden Jahrzehnte rechnen Expert/innen mit zusätzlichen Schäden in Höhe von mehreren hundert Milliarden Euro. Die Zahlen in Deutschland sind exemplarisch für die enormen Folgekosten, die unsere Gesellschaft tragen muss, weil fossile Energieträger zu niedrig bepreist sind. Denn auf sie zurückzuführende Umwelt- und Gesundheitsschäden werden bislang nicht angemessen berücksichtigt.

Die EU adressiert diese Folgen und hat mit dem Europäischen Klimagesetz rechtsverbindlich das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 festgeschrieben. Bis 2030 sollen die CO₂-Emissionen um mindestens 55 % gegenüber 1990 gesenkt werden – erreicht durch verbindliche Quoten, CO₂-Preise und Förderprogramme. So schreibt die EU im Rahmen der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie vor, dass bis 2030 mindestens 42 % des in der Industrie verwendeten Wasserstoffs aus erneuerbaren Quellen stammen müssen. Verfehlen Mitgliedstaaten ihre Klimaziele, drohen hohe Ausgleichszahlungen. Deutschland könnte bei Nichterfüllung bis 2030 Zahlungen von bis zu 30 Milliarden Euro leisten müssen – ein starker Anreiz für Klimaschutz.

Grüner Wasserstoff – Schlüssel für schwer dekarbonisierbare Sektoren

Elektrizität spielt zwar eine zentrale Rolle bei der Energiewende, doch nach wie vor spielen fossile Energieträger eine wichtige Rolle am Markt. Laut Umweltbundesamt stammen heute noch über 75 % der verbrauchten Energie aus Gas, Öl oder Kohle. In die Berechnung sind sowohl Energieträger wie Braun- und Steinkohle, Mineralöl und Erdgas als auch Benzin, Diesel, Strom und Fernwärme eingeflossen. Für Branchen, die nicht elektrifiziert werden können, ist grüner Wasserstoff die einzige Alternative, um Klimaneutralität zu erreichen. Das betrifft insbesondere die Stahlproduktion, Chemieindustrie, Raffinerien sowie den internationalen Schiffsverkehr. Auch die Luftfahrt sucht nachhaltige Alternativen zu fossilen Treibstoffen und setzt zunehmend auf wasserstoffbasierte Kraftstoffe.

Die weltweite Nachfrage nach Wasserstoff liegt aktuell bei rund 100 Millionen Tonnen, die fast ausschließlich aus fossilen Quellen stammen. Prognosen gehen von einem Anstieg auf über 500 Millionen Tonnen grünen Wasserstoffs bis 2050 aus – mit einem globalen Marktvolumen von mehr als 1,4 Billionen US-Dollar. Diese Entwicklung macht den Ausbau von Produktion, Infrastruktur und Logistik zu einer der größten industriellen Herausforderungen und Chancen der kommenden Jahrzehnte.

(Stand: 2025, Quelle: BMWE)

(Stand: 2024, Quelle: IREA)

Nationale Wasserstoffstrategie, Infrastruktur und Quoten in Deutschland

Deutschland hat sich mit der Nationalen Wasserstoffstrategie das Ziel gesetzt, bis 2030 Wasserstoffproduktionsanlagen mit mindestens 10 Gigawatt Kapazität (entspricht etwa der Leistung von fünf großen Kohlekraftwerken) zu installieren und dafür ein umfassendes Wasserstoff-Transportnetz („Hydrogen Backbone“) aufzubauen. Dieses soll perspektivisch über 9.000 Kilometer lang werden, bestehende Gasleitungen nutzen oder ersetzen und den Transport vom Produktionsort bis zu den industriellen Abnehmern sicherstellen. Erste Projekte zeigen, dass die Umsetzung bereits in vollem Gange ist: Der Gastransporteur ONTRAS hat im Energiepark Bad Lauchstädt einen rund 25 Kilometer langen Leitungsabschnitt in Betrieb genommen, der künftig grünen Wasserstoff zu einer Raffinerie in Leuna transportiert. Parallel wird die bestehende Erdgas-Pipeline von Lubmin an der Ostseeküste in Richtung Süden für den Transport von grünem Wasserstoff umgerüstet.

2024 hat das Bundeskabinett beschlossen, den Bau von Wasserstoffanlagen zu beschleunigen. Das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz durchläuft derzeit den Gesetzgebungsprozess und soll bürokratische Hürden reduzieren, Flächensicherungen vereinfachen und den Netzanschluss von Elektrolyseuren unterstützen. Es unterstreicht, dass Deutschland die Transformation hin zu einer Wasserstoffwirtschaft mit Nachdruck vorantreibt. Zudem wurde kürzlich der Referentenentwurf zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote – eine Vorgabe, wie viel Treibhausgas eingespart werden muss) im Verkehr vorgelegt. Dieser sieht vor, erneuerbaren Wasserstoff stärker als alternative Antriebsenergie anzurechnen – ein Anreiz für Investitionen und die Dekarbonisierung von Schwerlast- und Luftverkehr.

Wasserstoffnetz 2050: Leitungsumstellung und -neubau (Quelle: Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V., 2022)

Marktpotenzial und Bedeutung von First Movern

Die Kombination aus verbindlichen EU-Vorgaben, ambitionierten nationalen Strategien, CO₂-Bepreisung und Förderprogrammen schafft einen stabilen regulatorischen Rahmen für den Markthochlauf der grünen Wasserstoffwirtschaft. Mit dem erwarteten Nachfrageanstieg auf über 500 Millionen Tonnen Wasserstoff bis 2050 entsteht ein industrieller Massenmarkt mit Milliardenvolumen. Ein „Winner-takes-it-all“-Szenario ist unwahrscheinlich, da verschiedene Regionen und Sektoren unterschiedliche Anforderungen haben und voneinander profitieren.

Unternehmen, die früh in Wasserstoff-Technologien und -Projekte investieren, können sich ideale Standorte sichern, Expertise aufbauen und den Wandel aktiv mitgestalten – und so eine Schlüsselrolle in der Zukunft der Wasserstoffwirtschaft übernehmen.

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