Überspringen zu Hauptinhalt

Agri-Photovoltaik: Landwirtschaft und erneuerbare Energien vereint

WIWIN Logo
Autor/in:
WIWIN - Nachhaltig investieren
10 Minuten Lesezeit
Mit Fotovoltaikmodulen für Transparenz, Hagel- und Regenschutz für gesunde Pflanzen bedeckte Rebflächen

Die voranschreitende Klimakrise setzt unsere Lebensgrundlagen zunehmend unter Druck. Neben der Transformation unseres Energiesektors steht auch die Landwirtschaft vor der Herausforderung, nachhaltiger zu wirtschaften und sich an veränderte klimatische Bedingungen anzupassen. Agri-Photovoltaik (Agri-PV) verbindet die Energiewende mit der Transformation der Landwirtschaft. Sie ermöglicht die gleichzeitige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für die Nahrungsmittelproduktion und die Erzeugung von Solarstrom.

In diesem Artikel schauen wir uns das Potenzial von Agri-PV als Schlüsseltechnologie der Energiewende an, sprechen mit Projektentwicklern, zeigen Vorteile und Herausforderungen auf und geben einen Überblick über politische Rahmenbedingungen und Praxisbeispiele.

Was ist Agri-Photovoltaik genau?

Agri-Photovoltaik (kurz: Agri-PV) bezeichnet die gleichzeitige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für die landwirtschaftliche Produktion und die Stromerzeugung durch Photovoltaikanlagen. Im Gegensatz zu herkömmlichen PV-Anlagen, die meist auf Dächern oder in Solarparks installiert werden, stehen Agri-PV-Anlagen direkt über oder neben landwirtschaftlich genutzten Flächen – etwa über Obstplantagen, Gemüsefeldern oder Weideflächen.

Die Photovoltaikmodule sind dabei in einer Weise installiert, die den landwirtschaftlichen Betrieb nicht wesentlich einschränkt. Sie befinden sich zum Beispiel auf erhöhten Gestellen oder in Reihen mit ausreichend Abstand, sodass weiterhin Maschinenbetrieb, Pflanzenwachstum und Ernte möglich sind. Zudem können Agri-PV-Anlagen so ausgerichtet werden, dass sie das Mikroklima positiv beeinflussen – etwa durch Beschattung bei Hitze oder Schutz vor Hagel.

Ziel ist die doppelte Nutzung einer Fläche, also die gleichzeitige Erzeugung von Nahrungsmitteln und erneuerbarer Energie – ohne zusätzliche Flächenversiegelung oder Flächenkonkurrenz. Damit leistet Agri-PV einen wertvollen Beitrag zur Lösung zweier zentraler Herausforderungen: der nachhaltigen Energieversorgung und der Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft.

Arten von Agri-PV-Anlagen

    • Vertikale Agri-PV-Systeme: Sie nutzen vertikal installierte Solarpanels, oft entlang von Grenzzäunen oder zwischen den Reihen von Pflanzen und sind besonders geeignet für niedrig wachsende Pflanzen.
    • Agri-PV bei Sonderkulturen: Die Panels schützen die Pflanzen vor Überhitzung, Frost, Hagel, Starkregen und reduzieren Stress, was die Qualität der Ernte verbessern kann.
    • Hochaufgeständerte Systeme im Ackerbau: Hier werden die Solarpanels so installiert, dass landwirtschaftliche Maschinen darunter passieren können.
Reben mit Fotovoltaik-Modulen für Transparenz, Hagel- und Regenschutz
Verlegung eines Agrivoltaik-Dachs in Frankreich

Agri-Photovoltaik und ihr Beitrag zur Energiewende

Luftbild Anbaukulturen unter Solarpaneelen, , Solarpark, Solarlösungen, Bauern Kohlpflanzen, landwirtschaftliche Produktion unter oder neben Solarpaneelen , Agrovoltaik der erneuerbaren Energien

Die Solarenergie trägt wesentlich dazu bei, dass mittlerweile ein Großteil des erzeugten Stroms hierzulande aus regenerativen Quellen stammt. 2024 waren dies beispielsweise knapp 60 Prozent. Doch nach wie vor werden immer mehr Anlagen produziert und ans Netz angeschlossen, da die vorgegebenen Ausbauziele noch lange nicht erreicht sind. Bis 2030 etwa sollen noch 215 GW Leistung allein durch Solarenergie hinzukommen.

Doch die Flächen für den Ausbau sind begrenzt. Immer häufiger sehen sich Projektentwickler/innen Konflikten mit Landwirt/innen, Anwohnenden oder topografischen Herausforderungen gegenüber. Die mögliche Lösung: eine Kombinutzung von Flächen, um gleichzeitig Energie und Lebensmittel produzieren zu können. Der große Vorteil: Stromerzeugung mit Agri-PV beansprucht maximal 15 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, sodass der allergrößte Flächenteil quasi unberührt bleibt.

Startschuss für Agri-PV

Die ersten Ideen stammen bereits aus den 80er-Jahren. Bis jedoch die erste Agri-PV-Anlage in Deutschland im Jahr 2004 installiert wurde, vergingen etliche Jahre an Planung und Entwicklung. Heutzutage spielt Agri-PV weiterhin eine untergeordnete Rolle, wird jedoch aufgrund der angesprochenen Konflikte immer wertvoller. Die weltweit installierte Leistung liegt heute bei etwa 20 GW.

Mit dem 2024 verabschiedeten Solarpaket soll nun auch hierzulande der Ausbau von Agri-PV beschleunigt werden. René Kautz, Managing Director der aream Group, einem Unternehmen für nachhaltige Infrastrukturinvestments, sieht darin eine große Chance: “Das Ausschreibungsvolumen für derartige PV-Anlagen soll bis 2029 auf über 2 GW ansteigen. Damit wird eine Grundlage geschaffen, welche uns große Chancen bietet, in der Solarenergie neue Wege zu gehen.”

Ein konkretes Beispiel für die strategische Nutzung von Agri-Photovoltaik entwickelte aream im Rahmen eines Projekts entlang einer Autobahntrasse. Die Fläche lag vollständig im planungsrechtlich privilegierten 200 m-Korridor – ein Bebauungsplan war daher grundsätzlich nicht erforderlich. Allerdings wäre eine klassische Freiflächen-PV aufgrund raumordnerischer Zielkonflikte nur auf einem reduzierten Streifen von etwa 110 m genehmigungsfähig gewesen. Einzelne Teilflächen mit hohen Bodenpunkten hätten von der Nutzung zusätzlich ausgenommen werden müssen.

Durch die Umstellung auf ein Agri-PV-Konzept konnte aream nicht nur die volle Breite des privilegierten Bereichs nutzen, sondern – angesichts der höheren gesellschaftlichen Akzeptanz – auch angrenzende Flächen im 500 m-Korridor gemäß EEG einbeziehen. „Dass wir dadurch in der Lage waren, eine gesicherte Netzkapazität vollständig auszuschöpfen, hatte dann sogar zur Folge, dass wir bewusst die Aufstellung eines Bebauungsplans in Kauf genommen haben“, erläutert René Kautz.

Chancen und Herausforderungen der Agri-Photovoltaik

Der offensichtlichste Vorteil der Agri-PV liegt auf der Hand: die flächeneffiziente Doppelnutzung. Anstatt landwirtschaftlich genutzte Flächen für große Solaranlagen aufzugeben, können beide Nutzungen kombiniert werden. Das schont Ressourcen, reduziert Flächenkonkurrenz und stärkt die regionale Energieversorgung.

Ein weiterer großer Vorteil der Agri-PV: sie kann die Resilienz landwirtschaftlicher Betriebe spürbar erhöhen. Einerseits entstehen Synergieeffekte, die im Zuge der Klimaanpassung immer wichtiger werden: Horizontale Anlagen mit ausreichender Bodenfreiheit bieten Schutz vor intensiver Sonneneinstrahlung, Austrocknung, Starkregen oder Hagel. Vertikale, bodennahe Systeme, zwischen denen weiterhin landwirtschaftlich gearbeitet werden kann, helfen insbesondere dabei, Winderosion zu vermeiden. Zudem lassen sich viele dieser Flächen weiterhin zur Tierhaltung nutzen, etwa als Weidefläche unter den Modulen.

Andererseits sorgt Agri-PV auch für eine breitere Einkommensbasis, indem sie neben landwirtschaftlichen Erträgen auch Erlöse aus der Stromproduktion ermöglicht – ein wichtiger Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität und zur Wertschöpfung im ländlichen Raum. Wichtig dafür: die Zusammenarbeit zwischen PV-Entwickler/innen und Landwirt/innen.

Es braucht klare rechtliche Rahmenbedingungen

Doch nicht alle landwirtschaftlichen Flächen eignen sich für Agri-PV. Welche Kulturpflanzen sich eignen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Eine zentrale Rolle spielt dabei der sogenannte Lichtsättigungspunkt – also der Schwellenwert der Lichtintensität, ab dem eine Pflanze ihre Photosyntheseleistung nicht weiter steigern kann und bei weiterer Lichteinwirkung sogar Stresssymptome zeigen kann.

Zudem schränken die oft hohen Anfangsinvestitionen und die im Vergleich zu Freiflächenanlagen oft komplexere technische Umsetzung die Umsetzung vieler Projekte ein. Ein weiteres Hemmnis ist der rechtliche Rahmen, der in vielen Regionen noch unklar oder restriktiv ist – etwa in Bezug auf Baurecht, Förderfähigkeit oder die Anrechnung auf landwirtschaftliche Flächen.

landwirtschaftlich nutzbare Fläche bei Agri-PV

© Frauenhofer-Institut für Solare Energiesysteme

Hier braucht es klarere Regelungen, die die Agri-PV gezielt fördern, statt sie als Sonderfall zu behandeln. Für Renè Kautz stellt dies einen Knackpunkt dar: “Die erhöhte EEG-Vergütung für Agri-Photovoltaik ist zwar beschlossen, steht aber weiterhin unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU – und genau diese ausstehende Entscheidung erschwert belastbare Investitionsentscheidungen.“

Agri-Photovoltaik könne, so die Einschätzung des Unternehmens, dennoch unter bestimmten Voraussetzungen eine sehr sinnvolle Ergänzung in der Projektentwicklung sein – etwa dort, wo klassische Freiflächen-PV aufgrund raumordnerischer Zielkonflikte nicht genehmigungsfähig ist. Die größere planungsrechtlich zulässige Flächenkulisse eröffnet in solchen Fällen neue Optionen, etwa in unmittelbarer Nähe zu Netzanschlusspunkten. Geringere Netzanschlusskosten können dort die höheren Baukosten der Agri-PV-Anlagen teilweise oder sogar vollständig kompensieren. Voraussetzung bleibt jedoch stets, dass das Projekt wirtschaftlich tragfähig ausgestaltet werden kann.

aream_green-bond_visual_hd

Du willst deinen Teil dazu beitragen, dass innovative Speicherlösungen und Agri-PV vorangetrieben werden?

Mit dem Green Bond digital Crowdinvesting unterstützt du einen erfahrenen Projektentwickler bei der Finanzierung und Weiterentwicklung von Photovoltaik-Projekten im Bereich Freiflächen- und Agri-PV. Bringe jetzt die Energiewende voran und profitiere von 8,00 % Zinsen p. a. + Bonus!

Jetzt investieren

Praxisbeispiele mit Vorbildcharakter

Während Agri-PV vielerorts noch als Pilot- oder Nischenlösung gilt, zeigen erste Projekte in Deutschland und Europa bereits eindrucksvoll, wie die Technologie in der Praxis funktionieren kann – sowohl technisch als auch wirtschaftlich und ökologisch.  Auf der Versuchsanlage des Fraunhofer ISE in Heggelbach (Baden-Württemberg) wird bereits seit 2016 getestet, wie sich unterschiedliche Ackerfrüchte – etwa Weizen, Kartoffeln und Sellerie – unter einer Agri-PV-Anlage entwickeln. Die erhöht installierten Module lassen genug Licht für die Pflanzen durch und ermöglichen den Einsatz landwirtschaftlicher Maschinen. Die Ergebnisse sind vielversprechend: Trotz leicht reduzierter Erträge bei einigen Kulturen wird die Gesamteffizienz der Fläche deutlich gesteigert, insbesondere durch den erzeugten Strom.

Es wird immer sichtbarer, dass Agri-PV kein theoretisches Konzept mehr ist, sondern das Potenzial hat, reale Probleme in der Landwirtschaft zu lösen und zugleich die Energiewende voranzutreiben. Entscheidend für den Erfolg sind eine angepasste Planung, eine enge Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Technik und Forschung sowie praxisnahe Förder- und Genehmigungsstrukturen. Projekte mit Leuchtturmcharakter können dabei helfen, Vertrauen aufzubauen und Nachahmer zu motivieren.

Ein Beispiel für einen solchen Leuchtturm ist das zuvor beschriebene Vorhaben entlang einer Autobahntrasse, das im Zuge der Entwicklung von einem klassischen Freiflächen-PV-Projekt in ein Agri-PV-Konzept überführt wurde. Mit einer Gesamtgröße von rund 160 Hektar und einem integrierten Ansatz für Landschaftsbild- und Artenschutz stieß das Projekt früh auf das Interesse der Fachöffentlichkeit. Auf Einladung des BUND wurde es im Rahmen einer Fachveranstaltung vorgestellt. „Nach der Projektpräsentation wurden wir von Stadtwerken kontaktiert, die konkrete Kooperationsmöglichkeiten im Bereich Agri-PV ausloten möchten“, berichtet René Kautz.

Fazit: Agri-PV als Zukunftsmodell der Energie- und Agrarwende

Agri-Photovoltaik steht exemplarisch für einen integrativen Ansatz, der zwei große Herausforderungen unserer Zeit zusammenbringt: die Transformation des Energiesystems und die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel. Durch die doppelte Nutzung landwirtschaftlicher Flächen schafft Agri-PV einen echten Mehrwert – ökologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich.

Insbesondere für ländliche Regionen eröffnet sich hier ein neues Wertschöpfungspotenzial, das über die reine Stromproduktion hinausgeht. Landwirtinnen und Landwirte können aktiv an der Energiewende mitwirken, ohne ihre Flächen aufgeben zu müssen. Gleichzeitig wird die Abhängigkeit von wetterbedingten Ertragsschwankungen reduziert – ein zunehmend wichtiger Aspekt in Zeiten extremer Klimaereignisse.

Die Praxis zeigt bereits: Agri-PV funktioniert – vorausgesetzt, Planung, Technik und Kulturwahl sind standortspezifisch abgestimmt. Damit die Technologie ihr volles Potenzial entfalten kann, braucht es jetzt vor allem klare rechtliche Rahmenbedingungen, gezielte Förderinstrumente und eine breite gesellschaftliche Akzeptanz. Wie innovative Ansätze umgesetzt werden können, haben wir in diesem Beitrag gesehen.

Agri-PV ist kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Zukunft. Sie kann dort eine Schlüsselrolle spielen, wo Klimaschutz, Ernährungssicherheit und Energiewende nicht länger getrennt gedacht, sondern gemeinsam umgesetzt werden. Damit wird sie zu einem Puzzleteil im Gesamtkonstrukt Nachhaltigkeitswende, für das weiterhin voller Einsatz gefordert ist.

Keine News mehr verpassen?

Melde dich zum WIWIN-Newsletter an und erhalte regelmäßig alle News und Informationen zu nachhaltigen Investments

An den Anfang scrollen