„Der Ausbau von Photovoltaik und Windenergie wird weitergehen“
Matthias Willenbacher baut seit knapp 30 Jahren Solarparks und Windenergieanlagen. Darüber hinaus investiert er in zahlreiche grüne Startups, um so die Nachhaltigkeitswende voranzutreiben. Im Gespräch mit dem WIWIN Magazin erklärt der WIWIN-Gründer, wie es aktuell um die Energiewende bestimmt ist, welchen Einfluss eine neue Bundesregierung auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien haben wird und welche Rolle das Crowdinvesting bei der Umsetzung von Energiewende-Projekten spielt.
Wo steht die Energiewende Anfang 2025, Matthias?
Matthias: Bei der Energiewende im Stromsektor läuft es bisher gut, aber es muss noch besser werden. Mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs im letzten Jahr war erneuerbar erzeugter Strom. Bei der Solarenergie wurden viele neue Anlagen gebaut und es sind fürs kommende Jahr auch viele in der Pipeline. Bei der Windenergie war das Jahr 2024 noch zu schwach, aber es kündigt sich ein ermutigender Ausbau für 2025 und die Folgejahre an. Das alles reicht aber noch nicht, es muss noch schneller gehen mit dem Ausbau. Besonders die Neuwahlen sind ein großer Unsicherheitsfaktor in Bezug auf stabile Rahmenbedingungen.
Wie sieht es in den Sektoren Wärme und Verkehr aus?
Matthias: In diesen Sektoren sieht es leider nicht ganz so gut aus. Der EE-Anteil beim Energieverbrauch für Wärme stagniert bei noch nicht mal einem Fünftel. Beim Verkehr kratzen wir an einem Zehntel des Gesamtenergieverbrauchs. In beiden Bereichen ist es ein und dasselbe Bild: Die Schlüsseltechnologien Wärmepumpe und E-Antrieb sind technologisch gesehen überlegen. Gegen jede Vernunft allerdings werden sie von Rechtspopulisten für den politischen Gewinn verteufelt. Hierdurch sind viele Menschen verunsichert. Das bedeutet aktuell: Es läuft schlecht und muss sehr schnell deutlich besser laufen.
Welche Impulse sind von der Ampel in Bezug auf den Ausbau der erneuerbaren Energien ausgegangen?
Matthias: Von der Ampel ist ein sehr starkes Signal für den EE-Ausbau ausgegangen. Es war sicherlich nicht alles perfekt und noch nicht alles ambitioniert genug. Doch mit Robert Habecks Wirtschaftsministerium und einem engen Konsens zwischen Grünen und SPD im Bundestag war endlich wieder ein Aufbruch da. Vor dem Start der Ampel herrschte beim Tempo des EE-Ausbaus nach vier unionsgeführten Bundesregierungen eine historische Flaute. Diesen Zustand hat die Ampel vollkommen verändert. Der Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch ist von 41,5 Prozent in 2021 auf fast 60 Prozent im letzten Jahr gestiegen. Im Solarbereich wurde 2024 mehr als sechsmal soviel Leistung installiert wie 2013 und dreimal so viel wie in 2021. Bei der Windenergie an Land lag der Ausbau im Jahr 2021 bei 1,6 Gigawatt (GW), 2024 liegt er wieder bei immerhin 2,5 GW. Viel wichtiger sind aber die 15 GW Genehmigungen, die 2024 für Windräder erteilt wurde – so viel wie noch nie. Diese Anlagen werden in den nächsten zwei Jahren gebaut, was damit eine Vervierfachung des Ausbaus im Vergleich zu 2021 bedeuten wird.
Das zeigt: Wo in der Merkel-Ära jahrelang Funkstille herrschte und die FDP, teilweise auch die CDU, die Energiewende verzögerten, waren plötzlich angemessene Ausbauziele, Ambition und ein echtes Gespräch zu den Bedürfnissen der Branche möglich. Und das war nicht nur beim Erneuerbare-Energien-Gesetz so, sondern auch bei der Digitalisierung, beim Netzausbau, bei der Flächenausweisung, beim Verhältnis von EE und Naturschutz und mit Abstrichen bei den Genehmigungen für neue Projekte sowie der Bürgerbeteiligungen. Das ganze Paket wurde ernst genommen. Und das ist etwas, an dem sich folgende Bundesregierungen messen lassen müssen.
Ende Februar stehen Neuwahlen an. Was wird sich aus deiner Sicht unter einer neuen Bundesregierung verändern?
Matthias: Auch wenn Klimaschutz und der Ausbau der Erneuerbaren in den Wahlprogrammen fast aller Parteien nur eine untergeordnete Rolle spielen, wird der Ausbau von Solar und Windenergie in fast jeder Regierungskoalition weitergehen. Erneuerbarer Strom ist günstiger als fossiler oder nuklearer Strom. Und die “Alternativen” Atomenergie und Kernfusion sind keine, weil sie nicht sofort verfügbar und zu teuer sind. Und die deutsche Industrie benötigt günstigen Strom, um international wettbewerbsfähig zu sein. Vor diesem Hintergrund führt am weiteren beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien kein Weg daran vorbei – für jede neue Regierung.
Dennoch wird es vom Wahlergebnis und der daraus resultierenden Koalition abhängen, wie die Energiepolitik in unserem Land ausgestaltet wird und wie schnell der Ausbau vorangetrieben wird.
Matthias: Natürlich. Wenn eine Regierung bestehend aus Union und FDP an die Macht kommt, wird der aufgebaute Schwung für den Ausbau der Erneuerbaren im Strombereich aus meiner Sicht nicht weiter beschleunigt und fossile Scheinlösungen wie Erdgaskraftwerke mit CCS unterstützt werden. Im Wärme- und Mobilitätssektor erwarte ich eine weitere Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger durch unklare Vorgaben und fehlende Unterstützungsmaßnahmen für Menschen mit geringem Einkommen. Bei einer Koalition von Union und SPD erwarte ich eine Verwaltung des Standes der Dinge und keine wirklichen neuen Impulse. Das heißt, kein langsamerer aber eben auch kein schnellerer Ausbau, was der deutschen Wirtschaft auch nicht weiterhilft.
Einzig bei einer Regierungsbeteiligung der Grünen glaube ich, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien in allen Bereichen weiter mit Nachdruck vorangetrieben wird. Gleichzeitig wäre eine solche Regierung einem enormen Druck aller Energiewende-Gegner ausgesetzt. Und was wäre, wenn AFD oder BSW mitregieren würden: Eine Katastrophe! Natürlich wird Frau Weidel keine Windräder abreißen, da sie ja, nachdem die Investition für die Anlagen gemacht ist, im Betrieb nur sehr geringe Kosten haben und keine Rohstoffe in Russland oder im Nahen Osten gekauft werden müssen. Aber ein Ausbaustopp wäre vermutlich zu erwarten.
„Die Energiewende muss ein Gemeinschaftsprojekt werden.“
– Matthias Willenbacher, WIWIN Gründer
Kommen wir zu einem anderen Thema: Du hast WIWIN in 2016 gegründet. Was waren damals die Gründe dafür?
Matthias: Das Vorgängerunternehmen von WIWIN ist bereits 2011 entstanden, als ich noch bei juwi tätig war. Wir haben damals nach einer Möglichkeit gesucht, wie auch Privatpersonen von der Finanzierung von EE-Projekten profitieren können und sind dann schnell beim Crowdinvesting gelandet. Der Energiewende-Markt war zu der Zeit ausschließlich für institutionelle Investorinnen und Investoren offen und das haben wir geändert. Über WIWIN können Privatpersonen ganz gezielt in Solar- und Windparkprojekte investieren. Sie profitieren dadurch nicht nur vom wirtschaftlichen Erfolg der EE-Projekte, sondern bringen durch ihr Investment auch aktiv die Energiewende voran.
Wie genau kann Crowdinvesting dabei helfen, die Energiewende voranzubringen?
Matthias: Geld ist und bleibt einfach ein rares Gut, wenn es um die Umsetzung der Energiewende geht. Ob grüne Startups oder EE-Projektunternehmen – sie alle benötigen entsprechendes Kapital, um ihr Unternehmen voranzubringen oder ihr Projekt umzusetzen. Je mehr Privatpersonen per Crowdinvesting investieren, desto schneller können grüne Startups wachsen oder beispielsweise neue Windräder und Solarparks gebaut werden. Das Geld von privaten Anlegerinnen und Anlegern ist ein ganz wichtiger Hebel, dass wir bei der Energiewende noch mehr Fahrt aufnehmen.
Hast du ein Beispiel für ein Energiewende-Projekt, das mit Hilfe von Privatpersonen umgesetzt wurde?
Matthias: Na, klar. Im Dezember 2024 ist in Waldböckelheim in Rheinland-Pfalz beispielsweise ein Solarpark ans Netz gegangen, bei der das Repowering per Crowdinvesting mitfinanziert wurde. Bei der bestehenden Solaranlage konnten durch das frische Kapital leistungsfähigere Solarmodule installiert werden, wodurch jetzt die fünffache Menge an grünem Sonnenstrom erzeugt werden kann. Dieses Beispiel zeigt meiner Meinung nach sehr eindrucksvoll, was durch ein Crowdinvesting im EE-Bereich möglich ist. Damals haben knapp 1.100 Privatpersonen rund zwei Millionen Euro über WIWIN investiert.
Vor welchen Herausforderungen steht diese alternative Finanzierungsform aktuell?
Matthias: Auch am Crowdinvesting sind die Krisen der vergangenen Jahre natürlich nicht spurlos vorbeigegangen. Ukrainekrieg, Energiekrise und Inflation haben den gesamten Markt durcheinandergewirbelt und natürlich auch dafür gesorgt, dass Privatpersonen weniger Geld für Investments zur Verfügung hatten. Ich bin aber davon überzeugt, dass Crowdinvesting auch weiterhin eine wichtige Rolle für die Finanzierung von Unternehmen und Projekten gerade im Nachhaltigkeitsbereich spielen wird.
Woran machst du das fest?
Matthias: Crowdinvesting professionalisiert sich immer mehr, was den Markt für weitere Investorinnen und Investoren öffnen wird. Wir von WIWIN haben im Herbst von der deutschen Finanzaufsicht Bafin beispielsweise die EU-weite Zulassung ECSP erhalten. Mit dieser Lizenz schafft die Europäische Kommission einen verbindlichen Rechtsrahmen für Crowdinvesting innerhalb der Europäischen Union. Das führt nicht nur zu mehr Transparenz für die Anlegerinnen und Anleger, sondern wird auch dafür sorgen, dass noch mehr spanende Projekte per Crowdinvesting umgesetzt werden.
Welches konkrete Ziel möchtest du in 2025 erreichen? (als Unternehmer/Investor oder als Privatperson)
Matthias: Mein Ziel ist es, die Energiewende greifbarer und erfolgreicher zu machen – mit Projekten, die nicht nur Energie erzeugen, sondern auch Energie freisetzen: die Energie der Beteiligung, des Mitgestaltens und des Vertrauens. Dabei geht es nicht allein um Megawatt und Fördervolumen, sondern um den gesellschaftlichen Hebel, den wir auslösen können, wenn jede und jeder weiß: Mein Engagement bewirkt etwas.
Ich möchte weiter Plattformen und Projekte fördern, die Bürgerinnen und Bürger nicht nur als Nutzerinnen und Nutzer, sondern als aktive Akteurinnen und Akteure einbinden. Ob es um Energiegenossenschaften, nachhaltige Startups oder innovative Finanzierungsmodelle geht – die Energiewende darf nicht länger eine abstrakte Zielvorgabe bleiben, sondern muss als Gemeinschaftsprojekt Fahrt aufnehmen.
Kurz gesagt: Es geht um eine Energieversorgung, die unabhängig macht und zugleich verbindet. Genau diesen Ansatz will ich stärken – denn unser Erfolg wird nicht an ambitionierten Versprechen gemessen, sondern an der Wirksamkeit konkreter Schritte.
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