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Grüner Wasserstoff: Energieträger der Zukunft?

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WIWIN - Nachhaltig investieren
7 Minuten Lesezeit
Eine Anlage, die grünen Wasserstoff herstellt

Kaum ein Begriff fällt in aktuellen Debatten rund um Klimaschutz und Energiewende so häufig wie „grüner Wasserstoff“. Politik, Wirtschaft und Forschung sind sich einig: Der gasförmige Energieträger soll eine zentrale Rolle dabei spielen, unsere Industrie, Mobilität und Stromversorgung klimafreundlich zu gestalten. Förderprogramme, milliardenschwere Investitionen und internationale Partnerschaften entstehen im Rekordtempo. Doch warum gilt ausgerechnet Wasserstoff – ein Gas, das bereits seit Jahrzehnten bekannt ist – plötzlich als Schlüssel zur nachhaltigen Zukunft? Und was unterscheidet grünen Wasserstoff von anderen Varianten? Schauen wir es uns gemeinsam an.

Was ist grüner Wasserstoff überhaupt?

Wasserstoff (H₂) ist ein farb- und geruchloses Gas – doch in der Diskussion um seine Nachhaltigkeit wird er mit Farbbezeichnungen versehen. Diese Farben geben Aufschluss über die Herstellungsweise und die Klimabilanz.

  • Grauer Wasserstoff wird meist durch Dampfreformierung fossiler Energieträger wie Erdgas erzeugt. Dabei entsteht eine große Menge CO₂ – jährlich weltweit über 800 Millionen Tonnen.
  • Blauer Wasserstoff  bezeichnet die bei dem herkömmlichen Verfahren durchgeführte Kohlenstoffbindung und -speicherung. Durch weitere Emissionen ist er jedoch kaum klimafreundlicher als grauer Wasserstoff.
  • Oranger Wasserstoff stammt aus der Verwertung von Biomasse oder Strom aus Müllheizkraftwerken – eine Mischform mit mäßiger Klimabilanz.
  • Rosa Wasserstoff entsteht durch die Elektrolyse mittels Strom aus Kernenergie. Fragen der Sicherheit und Lagerung von Nuklearabfällen machen ihn jedoch riskant.
  • Grüner Wasserstoff hingegen ist die klimafreundlichste Variante. Er entsteht auch durch Elektrolyse, bei der jedoch erneuerbarer Strom Wasser (H₂O) in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet – komplett emissionsfrei.

Folgender Erklärfilm der Heinrich-Böll-Stiftung gibt noch einmal explizit Aufschluss darüber, wie sich grüner Wasserstoff genau von herkömmlichen Wasserstoff.

Regulatorische Vorgaben

Damit Wasserstoff in der EU als „grün“ anerkannt wird, müssen bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllt sein. Die Europäische Kommission hat dazu im Jahr 2023 verbindliche Vorgaben definiert:

    • Strom aus erneuerbaren Quellen: Der für die Elektrolyse verwendete Strom muss nachweislich aus Solar-, Wind- oder Wasserkraft stammen.
    • Direktanschluss oder Stromnetz: Die Energie kann entweder direkt aus einer Ökostromanlage kommen oder – unter bestimmten Bedingungen – aus dem öffentlichen Stromnetz bezogen werden.
    • Zusätzlichkeit: Neue Wasserstoffproduktion soll nicht den bestehenden Ökostrom verdrängen, sondern durch zusätzliche Kapazitäten gedeckt werden.
    • Zeitliche und geografische Korrelation: Die Produktion muss zeitlich und örtlich mit der Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom übereinstimmen – also z. B. nicht nachts mit Solarstrom aus dem Netz.
    • Gültigkeit für Importe: Diese Anforderungen gelten auch für Wasserstoff, der außerhalb der EU produziert und eingeführt wird.
Elektrolyse für grünen Wasserstoff

Wo und wie wird grüner Wasserstoff eingesetzt?

Grüner Wasserstoff gilt als vielseitiger Energieträger mit Potenzial in verschiedenen Sektoren – vor allem dort, wo direkte Elektrifizierung an ihre Grenzen stößt. Noch ist sein Anteil gering, doch Pilotprojekte und Förderprogramme nehmen weltweit zu.

Hintergrund für Industrieanlagen der chemischen Anlagenraffinerie. Unternehmensfinanzierung und Industrie

Industrie

Rund 95  Prozent des aktuell eingesetzten Wasserstoffs weltweit stammen aus fossilen Quellen – größtenteils für industrielle Prozesse. Besonders relevant ist grüner Wasserstoff für die Stahlindustrie, die allein in der EU jährlich über 200 Millionen Tonnen CO₂ ausstößt. Der Einsatz von Wasserstoff als Reduktionsmittel statt Koks könnte diese Emissionen drastisch senken, Stichwort: grüner Stahl.

Auch in der Chemieindustrie, etwa bei der Herstellung von Ammoniak oder Methanol, ist Wasserstoff zentral. Hier ließen sich durch die Umstellung auf grünen Wasserstoff weltweit über 500 Millionen Tonnen CO₂ jährlich vermeiden.

Verkehr und Mobilität

Im Verkehrsbereich spielt Wasserstoff bisher nur eine Nischenrolle. In Deutschland waren Ende 2023 etwa 1.800 Wasserstoff-PKW zugelassen – zum Vergleich: Es gibt über 1,2 Millionen batterieelektrische Fahrzeuge.

Deutlich größer ist das Potenzial im Schwerlastverkehr. Lkw mit Brennstoffzellen sind bereits im Testbetrieb, etwa bei Unternehmen wie Hyundai oder Daimler Truck. Auch im Schienenverkehr kommen in Deutschland seit 2022 erste wasserstoffbetriebene Regionalzüge (z. B. Alstom Coradia iLint) zum Einsatz. In Europa könnten laut EU-Prognosen bis 2030 rund 10.000 Wasserstoffzüge den Dieselbetrieb ablösen.

Energiespeicherung und -transport

Ein entscheidender Vorteil von Wasserstoff ist seine Eignung als Speicher für überschüssigen Strom aus erneuerbaren Quellen. In Deutschland gingen laut Fraunhofer ISE 2023 rund 8,1 Terawattstunden erneuerbarer Strom durch Abregelung verloren – genug, um große Mengen Wasserstoff zu produzieren.

In sogenannten Power-to-Gas-Anlagen wird dieser Strom genutzt, um Wasserstoff zu erzeugen, der sich speichern oder in bestehende Erdgasinfrastrukturen einspeisen lässt. Für eine vollständig klimaneutrale Energieversorgung wird eine Elektrolyse-Kapazität von 10 Gigawatt bis 2030 angestrebt. Bis 2024 wurden davon unter 1 Gigawatt realisiert.

Internationale Energiepartnerschaften

Deutschland wird seinen Bedarf an grünem Wasserstoff nicht allein decken können. Das BMWK (heute: BMWE) hat 2024 geschätzt, dass bis 2030 etwa 50 bis 70 Prozent des Wasserstoffs importiert werden müssen. Daher bestehen bereits Partnerschaften mit Ländern wie Namibia, Chile, Australien und Kanada. In Chile etwa könnten laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit bis zu 25 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff pro Jahr produziert werden – mehr als das Dreifache des geschätzten deutschen Bedarfs für 2030.

Hoffnungen, Herausforderungen und Kritik

Als der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz im Januar 2025 mit kritischen Aussagen zu grünem Wasserstoff im Kontext der Stahlindustrie polarisierte, ließ die Kritik nicht lange auf sich warten. “Ich glaube persönlich nicht daran, dass der schnelle Wechsel hin zum wasserstoffbetriebenen Stahlwerk erfolgreich sein wird. Wo soll der Wasserstoff denn herkommen? Den haben wir nicht”, äußerte Merz.

Zahlreiche Politiker/innen und Wirtschaftsexperten kritisierten Merz’ Äußerungen, der jedoch schnell zurückzurudern wusste. Denn eines steht fest: die Transformation der Industrie ist in vollem Gange und für die Einhaltung der Klimaziele unabdingbar. Laut dem Weltklimarat (IPCC) könnten durch den Einsatz von Wasserstoff in der Industrie jährlich bis zu 2,3 Milliarden Tonnen CO₂ eingespart werden – das entspricht etwa 5  Prozent der globalen Emissionen.

Wasserstoff kann erneuerbare Energie zeitlich entkoppeln – also dann speichern, wenn Strom im Überschuss vorhanden ist, und bei Bedarf wieder verfügbar machen. Damit trägt er zur Versorgungssicherheit bei. Laut der deutschen Energie-Agentur könnten bis 2045 in Deutschland bis zu 60 Terawattstunden Wasserstoffspeicher-Kapazität notwendig werden – ein zentraler Baustein für ein stabiles 100 %-Erneuerbare-Energiesystem.

Außerdem ist er leicht transportierbar, etwa per Pipeline, Schiff oder als Derivat (z. B. Ammoniak oder Methanol). Das macht ihn zum global handelbaren Energieträger, ähnlich wie Öl oder Gas. So könnte Deutschland künftig von Wasserstoff-Importen aus wind- und sonnenreichen Regionen profitieren – etwa aus Nordafrika, Südamerika oder Australien.

Konzept einer grünen Wasserstofffabrik Wasserstoffenerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen
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Ein langer Weg

Das große Aber dabei: Viele der aktuell diskutierten Einsatzbereiche befinden sich erst in der Erprobung. Der Ausbau steht vor technischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Hürden, die nicht unterschätzt werden dürfen. Neben der energieintensiven Elektrolyse für ein Kilo Wasserstoff werden etwa 50 Kilowattstunden (KWh) benötigt ist grüner Wasserstoff gegenwärtig noch sehr teuer. Im Jahr 2024 war der Preis für ein Kilogramm grünen Wasserstoff fast dreimal so hoch wie für konventionellen. 

Zudem muss Wasserstoff nicht nur produziert, sondern auch transportiert, gespeichert und verteilt werden. Dafür fehlen bislang leistungsfähige Leitungsnetze, geeignete Speicherlösungen und Tankstellen – besonders im Verkehrssektor. In Deutschland sind Stand 2024 etwa 100 Wasserstofftankstellen in Betrieb – das ist deutlich zu wenig für einen flächendeckenden Einsatz.

Und, nicht überall, wo „grün“ draufsteht, ist auch konsequent nachhaltig produziert worden. Die angesprochenen EU-Regularien sind zwar auf dem Papier gut gedacht, doch die Umsetzung und Kontrolle bleiben komplex – vor allem bei Importen aus Drittstaaten.

Fazit: Großes Potenzial, viele kleine Baustellen

In einem sind sich fast alle einig: Ohne grünen Wasserstoff wird Klimaneutralität nicht erreichbar sein – vor allem in der Industrie. Er ist ein zentraler Baustein der Energiewende – klimaneutral, vielseitig einsetzbar und langfristig unverzichtbar. Er kann helfen, fossile Brennstoffe in Bereichen zu ersetzen, in denen andere Lösungen an ihre Grenzen stoßen.

Doch der Weg zur flächendeckenden Nutzung ist noch lang. Die hohen Kosten, der hohe Strombedarf, eine noch unzureichende Infrastruktur und der hohe Energieverlust bei der Umwandlung stellen die aktuelle Wirtschaftlichkeit infrage. Auch politisch und regulatorisch besteht Handlungsbedarf, um Investitionen in Produktion und Netzwerke zu beschleunigen.

Die kommenden Jahre werden entscheiden, ob es gelingt, grünen Wasserstoff vom Nischenprodukt zur tragenden Säule einer nachhaltigen Energiezukunft zu machen. Innovative Projekte sind dafür gefragt, denn ohne die Transformation der Industrie wird es kaum gelingen, ökologisch und ökonomisch sinnvoll zu handeln.

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